© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Polyamorie – ein soziales Experiment ohne Erfolgsgarantie
Schlampen mit Moral
(wm)

Immer mehr Menschen sind gewillt“, meint Federica Gregoratto, „Liebe, Leidenschaft und Elternschaft jenseits der Grenzen der monogamen Paarbeziehung und der bürgerlichen Familie zu leben. Ein Konzept dafür ist die Polyamorie.“ Wer polyamor ist, liebt mehrere Menschen gleichzeitig. Federica Gregoratto, die an der Universität St. Gallen eine philosophische Habilitation mit ihrer Arbeit über „Love Troubles. A Social Philosophy of Eros“ anstrebt, sieht diese Liebesform, popularisiert in Netflix-Serien, auf dem Vormarsch. Selbst im katholischen Italien, wo die Polyamorie-Bibel von Dossie Easton und Janet Hardy „Schlampen mit Moral“ mittlerweile „in jeder Buchhandlung“ ausliege (Philosophie Magazin, 4/2021). Tatsächlich handelt es sich nur um den x-ten Seitentrieb der nach dem Prinzip „Teile und herrsche“ funktionierenden neoliberalen „Diversity“-Politik, die immer neue „Minderheiten“ generiert und gegeneinander stellt, um den Status quo kapitalistischer Macht zu betonieren. In Deutschland, muß Gregoratto einräumen, sind es nur 10.000 Menschen, 0,012 Prozent der Bevölkerung, die polyamor leben, um „gesellschaftliche Normen grundlegend zu verändern“ und „Macht, Unterdrückung, Ausbeutung“ abzuschaffen. Nicht klassisch marxistisch durch Enteignung der Ausbeuter, sondern mittels subversiver „Beziehungsanarchie“, die mit monogamen Konventionen auch „ökonomische Rationalität“ untergrabe, auf der sie beruhen. Wer viele liebe und „poly lebe“, helfe mit, den besitzbürgerlichen Individualismus und Egoismus zu überwinden. Garantiert sei der „glückliche Verlauf dieses politischen Projekts“ allerdings nicht. 


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