© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Solidarität durch gesellschaftliche Spaltung stiften
Das Paradox linker Identitätspolitik
(dg)

Die Crux jeder linken Identitätspolitik besteht darin, daß sie sich auch positiv auf Kategorien wie Geschlecht und ethnische Herkunft beziehen muß, die eigentlich Anlaß für Diskriminierungen sind. Mit deren Bejahung gehe daher die größte Gefahr von Identitätspolitik einher: „Essentialisierung“. Angeblich willkürliche „Fremdzuschreibungen“ wie Frau oder Schwarzer, so klagt die Journalistin Lea Susemichel, würden so zu unaufhebbaren „Wesensmerkmalen“ erklärt. Der selbstbewußt getragene Afro gehöre dann ebenso untrennbar zur „Blackness“ wie die Gebärmutter zum Frausein. Wer nicht über die nötige Haarstruktur oder wie Transfrauen nicht über das geforderte Organ verfüge, bleibe ausgeschlossen. Dabei sei es doch Ziel einer der Aufklärung verpflichteten Politik, Menschen aus diesen vermeintlich unauflöslichen Bindungen zu befreien (Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 3/2021). Trotzdem falle linke deswegen nicht auf Positionen rechter Identitätspolitik zurück. Denn bei rechten Konstruktionen von Wesensmerkmalen gehe es um Exklusion von Minderheiten, während linke Identitätspolitik für deren Inklusion kämpfe. Das Beharren auf geschlechtlicher oder ethnischer Identität bilde dann, so behauptet Susemichels paradoxe Argumentation, gerade die Stärke linker Bewegungen, sofern sie Unterschiede nicht „sprengend“ einsetzen. Wie das zu verhindern ist, darüber schweigt sich die langjährige Leiterin des feministischen Magazins an.schläge jedoch vielsagend aus, um desto energischer zu versichern: „Nicht Spaltung ist das Ziel linker Identitätspolitik“, sondern vielmehr das, was sie nach Ansicht auch ihrer linken Kritiker angeblich verhindere: „Solidarität“. 


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