© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Wochenende, 30 Grad plus, strahlend blauer Himmel, Schäfchenwolken, über dem Asphalt flimmert und flirrt die Luft, doch die märkischen Landstraßen senden ihre Sirenengesänge aus, denen ich nicht widerstehen kann: „Get your motor runnin’/ Head out on the highway/ Looking for adventure/ In whatever comes our way (…) Like a true nature child/ We were born/ Born to be wild/ We can climbed so high/ I never wanna die/ Born to be wild.“ Lebensgefühl pur.

Schade nur, daß die brandenburgischen Alleen nicht geradewegs in die Bretagne führen. Dorthin lockt mich Jean-Luc Bannalec (Künstlername von Jörg Bong) mit seinem vergangene Woche erschienenen, mittlerweile zehnten Kriminalfall von Kommissar Georges Dupin. „Bretonische Idylle“ heißt der Band (Kiepenheuer & Witsch, Köln, 318 Seiten, broschiert, 16 Euro). Die Handlung spielt dieses Mal hauptsächlich auf der Belle-Île, der größten bretonischen Insel, die einst schon den französischen Impressionisten Claude Monet zu Gemälden von den dortigen Meeresfelsen inspirierte. Leser dieser kleinen Kolumne wissen, wie sehr mich Bannalecs Natur- und Landschaftsschilderungen in den Bann schlagen. „Unentwegt spielen Himmel und Meer in der Bretagne dieses Spiel: sich untereinander die Blautöne abspenstig zu machen, als lieferten sie sich einen Wettstreit. Und es gab Tage, an denen beide exakt den gleichen Ton annahmen, womit sie den Horizont zum Verschwinden brachten, Tage, an denen sie sich harmonisch ineinander auflösten und die Menschen in einen Taumel versetzten. Dann blieb nichts mehr zu sehen als ein einziges Himmelsmeer, ein einziger Meereshimmel.“

Für eine Kopie von Leonardo da Vincis Gemälde „Mona Lisa“ zahlte ein unbekannter Bieter 2,9 Millionen Euro.

„It Doesn’t Matter Who Replaces Merkel. Germany Is Broken.“ (Überschrift eines Meinungsbeitrags des Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaftlers Oliver Nachtwey in der New York Times vom 7. Dezember 2018)

Zu welchen Verrücktheiten der internationale Kunstmarkt neigt, offenbarte vergangenen Freitag eine Versteigerung des Auktionshauses Christie’s in Paris. Dort bezahlte ein unbekannter ausländischer Bieter für die Kopie von Leonardo da Vincis berühmtestem Gemälde, der Mona Lisa, 2,9 Millionen Euro inklusive Gebühren und damit rund das Zehnfache des Schätzpreises, wie das Auktionshaus mitteilte. Das Bild stammt aus dem Nachlaß des 1977 verstorbenen amerikanischen Antiquars und Kunstliebhabers Raymond Hekking. Er war zeitlebens überzeugt, bei der Mona Lisa im Pariser Louvre handele es sich nur um eine Kopie und er besitze des Original. Tatsächlich war das Gemälde im August 1911 aus dem Museum gestohlen worden und erst nach zwei Jahren wieder aufgetaucht. Lesenswert in diesem Kontext ist Georg Heyms Novelle „Der Dieb“. Der Protagonist darin sieht in der Mona Lisa das gleichermaßen ursprünglich Weibliche wie Teuflische verborgen und verfällt ihr zusehends in einer Art Haßliebe. Das zumindest erklärte vielleicht auch die Motivation des jetzigen Käufers der Kopie der Mona Lisa.