© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Bei Auflösung des Spezialeinsatzkommandos (SEK) der hessischen Polizei wurde darauf hingewiesen, daß dessen Angehörige einseitig nach dem Maßstab der Erfahrung, der Einsatzbereitschaft, der körperlichen wie seelischen Belastbarkeit ausgewählt wurden. Es mangele aber an demokratietheoretischer und interkultureller Kompetenz. Man darf also gespannt sein, wie die Kriterien für die Rekrutierung des Verbandes zukünftig aussehen werden.

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Richard Hanlet schreibt in einem Beitrag der französischen Netzseite „Boulevard Voltaire“ über die systematische Verschleierung der Täterherkunft durch Namensfälschung in den französischen Medien. Schon 2012 habe ein sunnitischer Tschetschene, der in Rennes einen dreizehnjährigen Schüler tötete, bei Le Monde den Vornamen „Vladimir“ erhalten, später beließ man es schamhaft beim Kürzel „S.“ 2016 bekannte ein Journalist der linken Libération in einer von Arte ausgestrahlten Sendung offen, daß im Fall einer Straftat sich der Alain, der Frédéric, der Marcel, der Maurice prompt als der Mohamed, der Hamed etc. entpuppten. Zuletzt betraf das Vorgehen am 24. Februar einen Journalisten der Zeitung Télégramme, der wegen Drogenhandels Verurteilte Jugendliche mit den Vornamen Kevin, Amélie, Alain, Antoine, Henri, Héloïse, Mathieu, Eric versah, obwohl es sich um Ali, Mohammed, Anissa, Assane, Elhad usw. handelte.

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Leider nicht von mir: „Die Schwester der Ignoranz heißt übrigens Pragmatismus.“ (Harald Martenstein)

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Zwei Nachrichten an einem Tag: Nach einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach ist im Volk die Überzeugung, man dürfe seine Meinung offen sagen, auf einem historischen Tiefstand angekommen. Abgesehen von den Anhängern der Grünen (Wen wundert’s?) hat ein erheblicher Teil der Befragten – 44 Prozent – den Eindruck, mit Hilfe offizieller Sprachregelungen oder gesellschaftlichen Drucks mundtot gemacht zu werden. – Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sich entschlossen, eine weitere Rubrik einzuführen: die „Neue Rechte“, die – man faßt es kaum – „antiliberale“ Positionen durchzusetzen und geistigen Einfluß zu gewinnen suche, was wiederum der „ideologischen Rechtfertigung“ von Rechtsextremismus diene.

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Es spricht gegen das Existenzrecht des Humanistischen Gymnasiums, daß es nicht in der Lage war, „’68“ zu verhindern.

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Die US-Spielshow „Wer wird Millionär?“ verkaufte sich weltweit und wird in der Regel exakt nach amerikanischem Muster in ganz verschiedenen Ländern gezeigt. Allerdings gibt es erstaunliche Unterschiede im Hinblick auf Aspekte des Verlaufs. Das gilt vor allem für den „Publikumsjoker“, bei dem der Kandidat auf die „Schwarmintelligenz“ der Zuschauer im Studio zurückgreifen kann. Während in den USA der „Publikumsjoker“ in 91 Prozent der Fälle zu richtigen Antworten führte, waren es in Frankreich nur etwas über 50 Prozent, während in Rußland die empfohlene Lösung in der Mehrzahl der Fälle falsch war. Die Soziologen, die sich mit dem Phänomen befaßt haben, glauben nicht, daß das mit Dummheit oder Bildungsmangel zu erklären ist. Sie vermuten eher kollektive Mißgunst. Die könnte tief verwurzelt oder in der kommunistischen Ära erfolgreich anerzogen worden sein: Man gönnt dem einzelnen das Glück nicht – es soll ihm gar nicht besser gehen als den vielen.

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Aus der Rubrik „Wo bleibt das Positive?“: „Gegen die politische Forderung, Beamte in die Rentenversicherung zu holen, gibt es indes fiskalische Argumente: Da Beamte eine sehr hohe Lebenserwartung haben, würde die Rentenkasse auf Dauer noch stärker belastet“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. Juni).

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Doppelstandard: Kamala Harris, die Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, hat in einem – heute sagt man: „emotionalen“ – Appell die Migranten und Migrantinnen aus Südamerika zum Wegbleiben aufgefordert „Kommt nicht!“ Es werde ihnen in ihrer Heimat geholfen. Den Hintergrund bildet die Tatsache, daß die Wanderungsbewegung in Süd-Nord-Richtung nach dem Ende der Ära Trump und deren hartem Grenzregime sprunghaft angestiegen ist. Allein im Monat März haben mehr als 172.000 Menschen Mexiko in Richtung auf die USA durchquert, darunter eine erhebliche Anzahl von „unbegleiteten Jugendlichen“. Das ist die höchste Zahl seit fünfzehn Jahren. Aber damit nicht genug: Gleichzeitig wächst der Migrationsdruck aus Brasilien und Guatemala. Bemerkenswerter als die Faktenlage ist allerdings die Reaktion der Leitmedien, in der jeder Hinweis darauf fehlt, daß die linke Ikone Kamala Harris vor Amtsantritt sich nicht genug tun konnte, wenn es um die Kritik an der inhumanen Einwanderungspolitik Trumps ging. – In Frankreich wurde am 16. Juni ein Verfahren gegen Thaïs d’Escufon eröffnet, die Sprecherin der mittlerweile verbotenen Génération Identitaire. Auslöser ist ein Video, in dem die junge Dame während der symbolischen Aktion „Defend Europe“ gegen illegale Migration gesagt hat: „An alle, die bei uns eindringen wollen. Geht nach Hause, Europa wird nie eure Heimat sein.“ Diese Äußerung, so die Feststellung der französischen Staatsanwaltschaft, erfülle den Tatbestand der „Aufstachelung zum Haß“, da sie sich offensichtlich gegen Migranten richte, „die nicht der französischen oder europäischen Gemeinschaft angehören“.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 9. Juli in der JF-Ausgabe 28/21.