© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Freiheitsbeschränkung ist die neue „qualitative Freiheit“
Liberalismus war gestern
(wm)

Das „Klima-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts, das Anfang Mai für Furore sorgte, scheint ein Plagiat zu sein. Zumindest aber dürften sich die Karlsruher Richter großzügig bei Claus Dierksmeier bedient haben. Der Professor für „Globalisierungsethik“ an der Uni Tübingen hat zur Jahreswende den Vorrang der „qualitativen vor der quantitativen Freiheit“ propagiert (Mittelweg 36, 6-2020/1-2021). Das dem „Maximierungsimperativ“ gehorchende quantitative Freiheitsverständnis des „klassischen Liberalismus“ hat für ihn ausgedient, weil die auf dieser Basis in Gang gesetzten, Interessen künftiger Generationen zu wenig achtenden „Entscheidungsprozesse von heute die Freiheiten von morgen ruinieren können“. Qualitative Freiheit realisiere sich hingegen, wie Dierksmeier mit orwellschem Zungenschlag argumentiert, in der Einschränkung der Freiheit der Lebenden zugunsten der Ungeborenen. Das laufe nicht auf eine „Ökodiktatur“ hinaus, wie Carla Reemtsma, die Sprecherin der klagenden „Fridays for Future“-Bewegung, nach ihrem Sieg in Karlsruhe beteuerte. Aber um „universelle Nachhaltigkeit“ zu erreichen, so Dierksmeier, müsse individuelle Freiheit eben ökologisch „qualifiziert“ werden. Da es dafür an „freiwilliger Verantwortungsübernahme“ fehle, hülfen nur „schärfere Beschränkung persönlicher Freiräume“. 


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