© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/21 / 25. Juni 2021

Wer ist der bessere Diensthund?
Der Malinois setzt den Deutschen Schäferhund unter Druck
Martina Meckelein

Saftige Fritten, köstliche Schokolade und der triebhafte Malinois – dafür steht Belgien. Von letzterem kann sich der Deutsche Schäferhund mal eine Scheibe abschneiden – respektive die Züchter des ehemaligen Aushängeschildes der teutonischen Seele. Denn der Belgische Schäferhund ist dem Deutschen zur Zeit mehr als nur eine Schnauzenlänge voraus. Für den Laien sehen die beiden Rassen nicht allzu unterschiedlich aus: Beide sind etwa gleich groß und stammen von Hütehunden ab. Ihre Rassestandards wurden fast zeitgleich um 1890 festgelegt. Doch das sind nur Äußerlichkeiten. Der Belgier ist nicht nur gesünder, er hat auch einfach mehr Schneid. Wobei, der Deutsche erobert Terrain wieder zurück.

Rin Tin Tin, der Deutsche Schäferhund, der als Welpe angeblich aus einem Gehöft in Lothringen durch einen amerikanischen Soldaten 1918 gerettet wurde und anschließend eine formidable Hollywoodkarriere hinlegte, ist schon lange tot. Wen hat er nicht alles in Kriegsfilmen gerettet. Im Grunde reinste Propaganda. Einzig das Deutsche Reich setzte zu Beginn des Ersten Weltkrieges auf die Hilfe der Hunde. Frankreich und England bezweifelten anfangs sogar den Nutzen der befellten Kameraden. Was die Sieger später nicht davon abhielt, ihre tierischen Frontschweine propagandamäßig gekonnt zu vermarkten. Allerdings war das Image des Deutschen Schäferhundes als Inbegriff von Loyalität, Mut und Aufopferungswillen nicht totzukriegen.

Für den Tommy war das natürlich ein Schlag ins Kontor. Deshalb benannte er nach dem Weltkrieg den Deutschen Schäferhund einfach um. In England hieß er bis 1974, zum Teil heute noch, Elsässer Wolfshund. Australier verboten sogar seine Einfuhr ab 1929. Begründung: Er könnte sich mit dem Dingo paaren und so die australischen Schafe gefährden. Nach dem Zweiten Weltkrieg machten es sich dann die bundesrepublikanischen Leitmedien zur Aufgabe, gegen den Deutschen Schäferhund in die mediale Entnazifizierungsschlacht zu ziehen – Blondi sei Dank.

Polizei und Bundeswehr standen hingegen weiterhin zum Deutschen Schäferhund in Treue fest. Doch damit ist es vorbei. Nein, es liegt nicht an der Reeducation oder dem medialen Trommelfeuer der Nazijäger. Den Garaus erarbeiteten sich die (westdeutschen) Züchter des Deutschen Schäferhundes selber – mit unter anderem lediglich auf die Optik abzielender abfallender Rückenlinie, die jedoch anfällig für Hüftprobleme ist. Woran liegt es? Die JUNGE FREIHEIT fragte nach.

„Vor etwa 20 bis 25 Jahren wurde der Belgische Schäferhund, hier der Malinois, in den diensthundhaltenden Behörden angeschafft“, sagt Anja Dierschke, Leiterin der Pressestelle der Berliner Polizei gegenüber der JF. „Im Laufe der Jahre stieg die Zahl der Anschaffungen dieser Hunderasse stetig. Er zeichnet sich durch sein rasantes Lernverhalten sowie Schnelligkeit und ausgeprägte Triebbereiche in der Ausbildung und im Einsatzgeschehen aus.“ Zur Zeit hat die Berliner Polizei 101 Diensthunde und genauso viele Diensthundeführer. Im Ranking der Schutzhunde ganz oben steht der Malinois, ihm folgt der Deutsche Schäferhund, dann der Holländische Herder und auf dem vierten Platz der Rottweiler.

Geeignete Malinois sind oft günstiger

„Der Deutsche Schäferhund ist aus Sicht der Polizei Berlin, im Vergleich zum Malinois, physisch und psychisch ebenso als Diensthund  geeignet“, sagt Dierschke. Er zeichne sich vor allem durch eine gewisse Nervenstärke und Sachlichkeit bei trieblich hohen Arbeiten oder Belastungen in Einsatzlagen aus. „Der trotzdem stetige Zuwachs an Malinois in den diensthundhaltenden Behörden ist eher auf das Angebot am Markt wie günstigere Preise, höhere Anzahl und/oder Verfügbarkeit, weniger Vorerkrankungen, seine Arbeitsbereitschaft und seine trieblichen Veranlagungen zurückzuführen.“

Geeignete Belgische Schäferhunde würden nicht nur häufiger zum Kauf angeboten. „Gesundheitliche Faktoren spielten in der Vergangenheit ebenfalls eine große Rolle, da der Deutsche Schäferhund krankheitsanfälliger und teurer im Ankauf war.“ Immerhin belaufen sich die Ankaufspreise zwischen 1.000 und 2.500 Euro für einen Hund. Dazu kommt die anschließende Ausbildung.

Die Bundeswehr züchtet selbst, mag sich aber gegenüber der JF nicht positionieren. Auf ihrer Homepage sind allerdings fast ausschließlich Fotos von Malinois zu betrachten. Jens Schmidthaus, Oberstabsfeldwebel, sagt gegenüber der JUNGEN FREIHEIT: „In der Bundeswehr werden sowohl deutsche als auch belgische Schäferhunde als Diensthunde eingesetzt.“ Sie seien von den Leistungsmerkmalen im Spür- als auch Schutzverhalten etwa gleich. 

Doch es scheint sich etwas in der Deutschen Schäferhundezucht geändert zu haben. Diese Entwicklung sieht jedenfalls die Berliner Polizei. Heutzutage würden ihr wieder vermehrt Deutsche Schäferhunde zum Kauf angeboten, die keinerlei gesundheitliche Einschränkungen vorweisen „und deswegen auch wieder vermehrt als Diensthund ausgebildet werden“, sagt Anja Dierschke. Leistungslinien mit ostdeutschen Stammbäumen sind zudem bei Privatpersoen wieder beliebter. Der Ruf des Deutschen Schäferhundes ist zwar noch nicht gerettet, aber man sieht Licht am Horizont.