© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/21 / 02. Juli 2021

Ländersache: Bayern
Den Drachen bewachen
Alexander Graf

Es liest sich wie der Klappentext eines Fantasy-Romans: Der Drachenlord wird von Feinden in seiner Festung belagert. Die Dorfbewohner, die neben der Festung wohnen, leiden unter der Situation. Aber nun ist Rettung in Sicht. 

Was nach unterhaltsamer Fiktion klingt, ist jedoch der Hintergrund eines bizarren Schauspiels, das sich seit rund zehn Jahren in der nordbayerischen Provinz abspielt. Der als „Drachenlord“ bekannt gewordene Youtuber Rainer Winkler hatte im Streit mit Nutzern der Video-Plattform seine Adresse ins Netz gestellt – das Unheil nahm seinen Lauf. Fortan kamen immer wieder Personengruppen – an Wochenenden bis zu 150 – nach Altschauerberg, einem Ortsteil von Emskirchen mit gerade einmal 42 Einwohnern. Dort randalierten sie vor dem Haus des „Drachenlords“. Nächtliche Ruhestörungen, Beleidigungen und Körperverletzungen lassen die Nachbarn seitdem nicht mehr zur Ruhe kommen. Die örtliche Polizei ist ständig im Einsatz. 

Um diesem Treiben ein Ende zu setzen, haben die zuständigen Behörden des Freistaats nun verfügt: Fortan dürfen sich vor dem im Internet schon „Drachenschanze“ genannten Wohnhaus von Winkler nicht mehr als acht Personen versammeln. Lärmbelästigung, Feuerwerkskörper und sonstige Pyrotechnik sind verboten. Wer in den vergangenen drei Jahren in Altschauerberg schon einen Platzverweis erhalten hat, darf den Ort nicht mehr betreten. Sollten sich Fans und „Drachenlord“-Hasser, die sogenannten Hater, dennoch einfinden, drohen ihnen fortan Bußgelder von bis zu 1.000 Euro. Das soll die Lage beruhigen und den Anwohnern ein normales Leben ermöglichen. 

Doch wie konnte der Streit um einen Youtuber, der zunächst unbeholfene Tanzvideos von sich veröffentlichte und über alles plaudert, was ihm durch den Kopf geht, derart eskalieren? Der 31jährige Winkler provoziert seine Zuschauer immer wieder. Dabei beklagt er sich wiederholt darüber, zum Mobbing-Opfer zu werden, giert zugleich aber in immer neuen Videos nach Aufmerksamkeit. Inzwischen hat sein Youtube-Kanal 139.000 Abonnenten und wurde 8,5 Millionen Mal aufgerufen. Mittlerweile bestreitet Winkler seinen Lebensunterhalt mit den Videos, berichtete das Nachrichtenportal nordbayern.de. Dennoch stehe er unter anderem bei der Krankenkasse und der Gemeinde in der Kreide. Sein Konto werde gepfändet. 

Zudem droht dem bereits unter Bewährung stehenden „Drachenlord“ neuer juristischer Ärger. Wegen Körperverletzung und Beleidigung laufen Verfahren gegen ihn. Was für Fans und Feinde ein Spiel ist, führte schon diverse Male zu den entsprechenden Straftaten. Wieviel die Polizeieinsätze rund um die „Drachenfestung“ in den vergangenen Jahren gekostet haben, darüber schweigen sich die offiziellen Stellen aus. 2019 hieß es, über die dortigen Einsätze werde keine Übersicht geführt. 

Hält man sich vor Augen, wie lange der Belagerungszustand andauert, und daß insbesondere an den Wochenenden die Polizei anrücken muß, braucht Altschauerberg den Vergleich mit dem linksextremen Brennpunkt Rigaer Straße in Berlin nicht zu scheuen. Doch in Bayern versuchen die Behörden derzeit, den Problembezirk Altschauerberg zu befrieden.