© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/21 / 02. Juli 2021

Abgang der Woche
Die Last spüren müssen
Christian Vollradt

Vom irischen Dramaturgen George Bernard Shaw ist das Zitat „Nehmt euch in acht vor alten Männern, sie haben nichts zu verlieren“ überliefert. In der Politik gilt das erst recht; wobei „alt“ hier nicht „reich an Lebensjahren“ bedeuten muß. Eher bezieht es sich auf Abgeordnete, die kurz vor dem Altenteil stehen, sprich aus dem Bundestag ausscheiden. Wie Fritz Felgentreu. Die Berliner Sozialdemokraten waren des direkt Gewählten – Bundestagsmitglied seit 2013 – überdrüssig, und hatten den Wehrexperten nicht mehr aufgestellt. Als seine Fraktion ihn dann auch noch in der Drohnen-Frage im Stich ließ (JF 53/20-1/21), räumte er auch den Posten des verteidigungspolitischen Sprechers. In der letzten Sitzungswoche des 19. Bundestags ergriff Felgentreu noch einmal das Wort im Plenum. Anlaß war der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Einen „Epitaphios“, eine Gefallenenrede, nannte der habilitierte Altphilologe seinen Auftrtitt: „Wir verneigen uns vor den Gefallenen des Einsatzes in Afghanistan. Den Verwundeten und Traumatisierten stehen wir zur Seite. Und allen, die in den letzten zwanzig Jahren unserem Ruf gefolgt sind, danken wir in tiefer Verbundenheit.“ Die Staatsbürger in Uniform, so Felgentreu mit Blick auf die Besuchertribüne, auf der Angehörige aller Teilstreitkräfte saßen, würden sich heute fragen, „wofür sie nach Afghanistan gezogen sind, wofür sie dort Leben und Gesundheit riskiert und zu oft auch verloren haben“, dann stehe ihnen eine Antwort zu, vor der sich die Abgeordneten nicht drücken könnten: „Sie lautet: für uns.“ Und an die Noch-Kollegen gewandt, meinte der Scheidende: „Wer die Last der Verantwortung nicht spürt, die dieses ‘Für uns’ uns auferlegt, hat im Deutschen Bundestag nichts verloren.“ Solche Worte, kommentierte Welt-Korrespondent Robin Alexander, hätten auch der Bundeskanzlerin im Parlament gut zu Gesicht gestanden.