© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/21 / 02. Juli 2021

Die Abschaffung des Ehegattensplittings soll die Wirtschaft ankurbeln
Angriff auf die Familien
Ulrich van Suntum

Das Ehegattensplitting ist ein Dauerzankapfel im deutschen Steuerrecht. Jetzt ist es durch die Studie dreier RWI-Ökonomen erneut unter Beschuß geraten. Demnach soll seine Abschaffung mehr Beschäftigung schaffen und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erhöhen – und das bei insgesamt unveränderter Steuerbelastung. So könnten gut 580.000 Vollzeitjobs mehr besetzt werden, hauptsächlich mit Frauen, die durch den Splittingvorteil derzeit zu wenig Arbeitsanreize hätten. Grüne, SPD und Linke griffen die Vorlage gerne auf und forderten erneut die Abschaffung des Ehegattensplittings.

Dabei hatte das RWI schon 2013 im Auftrag der Grünen die ökonomischen Folgen untersucht und war zu überwiegend negativen Ergebnissen gekommen: Die Beschäftigungseffekte seien „relativ gering“, und es komme überdies zu „erheblichen zusätzlichen Steuerzahlungen“. Die aktuelle Arbeit (RWI Materialien, 144/21) ist daher nur ein Diskussionspapier des Düsseldorfer Wirtschaftsprofessors Ronald Bachmann sowie der Mitarbeiter Philipp Jäger und Robin Jessen. Allerdings verwenden sie ebenfalls das RWI-Simulationsmodell, nur mit optimistischeren Ergebnissen. Denn sie schlagen vor, zum Ausgleich für den Wegfall des Splittingvorteils den Grundfreibetrag für Ehepaare zu erhöhen, und zwar von 8.472 Euro (2015) auf künftig 12.222 Euro. Dadurch komme es in der Summe nicht zu Steuermehrbelastungen und zugleich zu weiteren Beschäftigungseffekten. Ein Drittel der erhofften Jobeffekte gehen allein auf diese Zusatzmaßnahme zurück.

Kommt das tatsächlich so? Denn errechnet wird nur die zusätzliche Arbeitsbereitschaft der Frauen. Gibt es überhaupt genügend passende Zusatzjobs? Auch die dann fehlende Zeit für die Hausarbeit bleibt unberücksichtigt. Sie zählt zwar nicht zum BIP, ist aber nicht weniger wohlstandsrelevant, worauf sonst zu Recht hingewiesen wird. Die größten Arbeitsmarkteffekte werden zudem ausgerechnet in Familien mit Kindern erwartet. Da ist die Frau meist gar nicht erwerbstätig und der Splittingvorteil entsprechend groß. Sein Wegfall soll deshalb besonders starke Anreize zur Aufnahme einer Berufstätigkeit bieten. Doch wer betreut denn dann die Kinder? Das zugrundeliegende Modell ist eine Black Box, es wird nirgendwo detailliert dargestellt. Offensichtlich hat es erhebliche Schwächen.

Auch grundsätzlich wäre die Abschaffung des Ehegattensplittings falsch. Gleich hohe Familieneinkommen würden dann unterschiedlich hoch besteuert, je nachdem wie sich die Einkünfte der Ehegatten zusammensetzen. Das ist mit dem grundgesetzlichen Schutz der Familie unvereinbar, wie das Verfassungsgericht mehrfach festgestellt hat. Zudem würde der neue Vorschlag zu unterschiedlich hohen Grundfreibeträgen für Verheiratete und Singles führen, was vermutlich auch verfassungswidrig wäre. Nicht zuletzt hätte die Reform negative Verteilungseffekte, wie die Autoren selbst schreiben. Vor allem Besserverdienende würden von der Senkung der Grenzsteuersätze profitieren. Große Familien würden damit schlechter fahren als kleine. Zudem würde das verfügbare Einkommen für die meisten Paare mit ungleichem Einkommen sinken – trotz Mehrarbeit. Hätten die linken Politiker die RWI-Untersuchung gründlicher gelesen, müßten sie für die Beibehaltung des Splittingvorteils sein.






Prof. Dr. Ulrich van Suntum lehrte bis 2020 VWL an der Wilhelms-Universität Münster.