© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/21 / 02. Juli 2021

Viele Deutsche besitzen wenig Vermögen
Global Wealth Report 2021: Die Hälfte der Haushalte ist ärmer als Italiener und Spanier / USA haben die meisten Millionäre
Elias Huber

Vor acht Jahren sorgte eine Studie der Europäischen Zentralbank (EZB) für Wirbel: Das deutsche Medianvermögen war damals wesentlich kleiner ist als das von „geretteten“ Euro-Ländern wie Spanien und Italien. Der Median ist dabei das Vermögen, über und unter dem jeweils die Hälfte aller Haushalte liegt. Bei dieser Statistik stand Deutschland ganz unten im Euro-Raum – sogar hinter Griechenland. Mögliche Erklärungen waren damals höhere Vermögensungleichheiten, Nachwirkungen der Wiedervereinigung oder daß in den Südländern mehr Menschen in einem Haushalt zusammenlebten.

Doch letztere Unterschiede waren nicht sehr groß. Der deutsche Haushalt zählte im Schnitt 2,04 Personen, in Italien waren es 2,53 Personen und in Spanien 2,68 Personen. Deutschland ist aber der Hauptfinancier der EU und bewahrte die Südländer mit Bürgschaften und Krediten vor der Staatsinsolvenz. Nun hat die Zürcher Großbank Crédit Suisse in ihrem „Global Wealth Report 2021“ die Zahlen von 2013 weitgehend bestätigt. Die Deutschen (268.680 Dollar pro Haushalt) sind weiterhin nicht so reich wie Schweizer (673.960), Niederländer (377.090), Franzosen (299.360) oder Österreicher (290.350), aber immerhin vermögender als die Italiener (239.240), Spanier (227.122), Slowenen (120.173) oder Griechen (104.603).

Mit 65.374 Dollar Nettovermögen auf dem Niveau von Slowenien

Aber viele Haushalte sind weiter vergleichsweise arm, denn relativ wenige extrem hohe Vermögen heben den statistischen Durchschnitt. Die Hälfte besitzt umgerechnet weniger als 65.374 Dollar Nettovermögen, wenn man Realvermögen wie Immobilien und Finanzvermögen addiert und die Haushaltsschulden abzieht. Deutschland liegt damit auf dem Niveau von Slowenien (67.961) und immerhin vor Portugal (61.306 Dollar), Griechenland (57.595) oder der Slowakei (45.853) – aber weit hinter Luxemburg (259.899), Belgien (230.550), Dänemark (165.620), der Schweiz (146.730), den Niederlanden (136.110), Frankreich (133.559), Großbritannien (131.520), Italien (118.880) und Spanien (105.830), Österreich (91.833), Schweden (89.846), Malta (84.390) oder den USA (79.274).

Ertaunlich ist zudem, daß die Vermögen seit dem Jahr 2000 – also ein Jahr nach Einführung des Euro als Verrechnungseinheit – in Italien und Spanien schneller gewachsen sind als in Deutschland. In Italien stiegen die Privatvermögen im Schnitt um 3,5 Prozent pro Jahr, in Spanien um 5,6 Prozent, in Deutschland aber nur um 2,8 Prozent. Auch in den skandinavischen Ländern wuchsen die Haushaltsvermögen mit 5,9 Prozent deutlich kräftiger. Manche Euro-Länder liegen aber auch hinter Deutschland, etwa Österreich mit 2,6 Prozent. Laut dem Ökonomen Philipp Bagus ist unter anderem der Euro schuld. „Durch den Euro hat es eine Umverteilung hin zum Süden gegeben“, sagt der VWL-Professor von der Universität Rey Juan Carlos in Madrid. Die Südländer machten viele Schulden, die die EZB mittels Geldschöpfung finanziere.

Zahlen des Währungsfonds IWF zeigen, wie sehr sich die Südländer seit der Einführung des Euro verschuldet haben. Der Anteil der Staatsschulden am Bruttoinlandsprodukt explodierte von 1999 bis 2020 – etwa in Italien (113 auf 156 Prozent), Griechenland (100 auf 213 Prozent), Spanien (61 auf 117 Prozent) und Portugal (51 auf 132 Prozent). Dagegen erhöhte sich die deutsche Staatsschuldenquote lediglich von 60 auf knapp 69 Prozent. Ein Grund dürften die Zinsen für Staatsanleihen sein, die aufgrund des Euro für die Südländer sanken. Die EZB galt als Nachfolgerin der Bundesbank und hatte den Ruf, für Geldwertstabilität zu stehen. Südstaaten wie Italien waren hingegen Inflationsländer gewesen, die hohe Zinsen auf ihre Schulden bezahlen mußten. Unter dem Euro konnten sie sich günstiger am Markt verschulden und die Staatsausgaben ausweiten. Das dürfte die Renten und Sozialleistungen nach oben getrieben haben, was vielen wiederum half, Vermögen aufzubauen.

Bagus argumentiert in seinem Buch „Die Tragödie des Euro – Ein System zerstört sich selbst“ , daß der Euro der „Tragödie der Allmende“ unterliegt. Laut dieser wirtschaftlichen Theorie kommt es zu der Übernutzung einer Ressource, wenn diese frei verfügbar und unbegrenzt ist. Ein Beispiel: die Überfischung der Meere, wenn jeder Fischer beliebig viele Fische fangen darf. Diese Theorie gelte auch für den Euro: Die europäischen Banken schöpften Geld aus dem Nichts und kauften damit Staatsanleihen, um sich bei der EZB zu refinanzieren. Der Grund: Die EZB akzeptierte die Staatsschulden als bevorzugte Sicherheit.

Laut Bagus gewinnen in dem Prozeß die Staaten, die besonders viele Schulden machen. Sie können mit den neugeschöpften Euros zu den alten Preisen einkaufen und heizen die Inflation an – und zwar nicht nur im eigenen Land, sondern in der gesamten Währungszone. Die Südländer können also die Kosten ihrer Schuldenpolitik – ein Verlust von Kaufkraft – teilweise auf Deutschland abwälzen. Ohne Euro würde die Währung nur im eigenen Land entwertet. Verlierer sind die sparsamen Länder, die sich zu höheren Zinsen refinanzieren müssen oder zu gestiegenen Preisen einkaufen müssen. Dazu kommt mittlerweile, daß auch die EZB viele Anleihen kauft.

Den Vermögensaufbau erschweren in Deutschland zudem vergleichsweise niedrige Einkommen verbunden mit hoher Steuer- und Abgabenlast. Und: Nur etwa 46 Prozent der Haushalte sind Haus- oder Wohnungseigentümer – aber Immobilien sind mit 64 Prozent das wichtigste Vermögensgut der Deutschen, so eine Studie der Fondsgesellschaft Flossbach von Storch. Und „die Preisrallye auf den Immobilienmärkten wurde bislang von der Covid-19-Pandemie nicht ausgebremst“, so der Finanzmathematiker und Studienautor Philipp Immenkötter. Das und die stark gestiegenen Aktienkurse erklären, warum der „Global Wealth Report 2021“ in Deutschland trotz der Corona-Krise nun 2,95 Millionen Dollar-Millionäre registriert – etwa 633.000 mehr als ein Jahr zuvor.

Trotz Corona-Krise in den USA 1,73 Millionen Millionäre mehr

Die Einwohner Deutschlands verfügten Ende 2020 über ein Gesamtvermögen von umgerechnet 18,3 Billionen Dollar. 2019 waren es nur 14,8 Billionen Dollar gewesen. Und die anhaltenden Niedrigzinsen befeuern die Aktienkurse sowie Haus- und Wohnungspreise weiter: Das Durchschnittsvermögen pro Erwachsenem wuchs im Corona-Jahr 2020 um 40.450 auf 268.680 Dollar. Dennoch ist das deutsche Vermögen noch weit von den USA entfernt: Hier gibt es Ende 2020 bei 331 Millionen Einwohnern trotz Corona-Krise 22 Millionen Dollar-Millionäre – 1,73 Millionen mehr als 2019.

Das US-Durchschnittsvermögen lag Ende 2020 bei 505.420 Dollar und damit 41.870 Dollar höher als ein Jahr zuvor. Auch in Relation zur Zahl der erwachsenen Einwohner liegen die USA mit einer Millionärsquote von 8,8 Prozent klar vor Deutschland mit nur 4,3 Prozent. Die Schweiz liegt mit 14,9 Prozent weiterhin unangefochten an der Weltspitze – hier zahlt sich auch der hohe Franken-Kurs aus. Dahinter folgt Australien mit 9,4 Prozent, die Niederlande haben mit 7,7 Prozent die höchste Millionärsquote in der EU. Selbst Großbritannien liegt mit 4,7 Prozent vor Deutschland.

Und wie sieht es mit der Vermögensverteilung zwischen Arm und Reich aus? Hier sieht es in Deutschland gerechter als in God’s Own Country aus: Der Gini-Index (je höher, desto ungleicher) liegt hierzulande bei 77,9 – in den USA sind es 85, in Rußland sogar 87,8. In Italien (66,5) oder Japan (64,4) ist das Vermögen hingegen viel gleichmäßiger verteilt. Das zeigt sich auch an den „oberen ein Prozent“: Diese besitzen in Rußland 58,2 Prozent des dortigen Privatvermögens. In den USA sind es 35,3 Prozent, in Deutschland 29,1 Prozent, in Großbritannien 23,1 Prozent, in Italien 22,2 Prozent und in Japan nur 18,2 Prozent.

Die von der Kommunistischen Partei beherrschte Volksrepublik China ist diesbezüglich auf deutschem Niveau angekommen: Im Reich der Mitte besitzen die ein Prozent Superreichen 30,6 Prozent des Privatvermögens – im Jahr 2000 waren es nur 20,9 Prozent gewesen. Nur beim Gini-Index gibt es mit 70,4 noch britisches Niveau (71,7). Beim Durchschnittsvermögen (67.771 Dollar) und dem Medianvermögen (24.067 Dollar) hat das 1,4 Milliarden Einwohner zählende Reich der Mitte allerdings noch viel Aufholbedarf. Bei der Zahl der Dollar-Millionäre liegt China mit 5,3 Millionen (257.000 mehr als 2019) weltweit schon auf Rang zwei. Das nur 126 Millionen Einwohner zählende Japan liegt mit 3,7 Millionen (+390.000) seit einigen Jahren hingegen nur noch auf Rang drei.

Global Wealth Report 2021: www.credit-suisse.com