© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/21 / 02. Juli 2021

Abschreckende Volksaktie
Börse: Der Telekom-Crash war Gift für deutschen Vermögensaufbau
Jörg Fischer

Das Wirtschaftswunder, die „Deutschland AG“ aus Finanzbereich und Industrie sowie ein verläßlicher öffentlicher Sektor brachten den Westdeutschen Wohlstand, Stabilität und sozialen Ausgleich. Der Glaube an den Thatcherismus sowie das klägliche Scheitern des Realsozialismus entfachten allerdings eine Privatisierungswelle. Aus Investorensicht – siehe Lufthansa oder Post – war das meist eine Lizenz zum Gelddrucken und oft zum Schaden der übrigen Marktteilnehmer. Doch bei der Privatisierung der „Grauen Bundespost“ sorgte Hybris, der wachsende Wettbewerb (Arcor, Mannesmann/Vodafone, E-Plus, Viag Interkom/O2) zunächst für schmale Renditen und das Platzen der New-Economy-Blase für horrende Verluste bei naiven Aktionären.

Dabei hatte der beliebte Schauspieler Manfred Krug seit 1996 erfolgreich Werbung für die „Volksaktie“ der Deutschen Telekom AG gemacht. Und wer sein Sparbuch geplündert hatte und früh eingestiegen war, konnte monatlich feststellen, daß er immer reicher wurde – bis kurz nach der Jahrtausendwende der Kurs der T-Aktie von 200 auf 20 D-Mark abstürzte. Zehntausende Kleinanleger des zweiten Börsengangs verloren viel Geld – und noch mehr verloren ihr Vertrauen in den Staat und in Aktienanlagen. Mit der Finanzkrise 2008 fühlten sich die deutschen „Aktienmuffel“ erneut bestätigt.

„Viele haben danach gedacht, an der Börse kann man eigentlich nur Verluste machen und die Finger davongelassen“, erklärte Alexander Kriwoluzky, Leiter der Abteilung Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Wochenbericht 25/21). Seine Studie zum „Fall der T-Aktie“ zeige auch, daß „sich dieses Verhalten auf die Kinder derjenigen vererbt, die damals T-Aktien gekauft und gehalten hatten“. Sie halten viel seltener Aktien als jüngere Haushalte: „Dies ist fatal für den langfristigen Vermögensaufbau, vor allem bei der Altersvorsorge“, warnte Studien-Koautorin Chi Hyun Kim (Uni Bonn). Die Wirecard-Pleite sei aber nur bedingt dem Telekom-Crash vergleichbar: „Zwar war Wirecard auch ein Liebling der Medien, auf der anderen Seite ist das aber schwer mit der Medienoffensive der Telekom zu vergleichen, die viel breitere Bevölkerungsschichten erreicht hat als Wirecard“, erläuterte Kriwoluzky.