© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/21 / 02. Juli 2021

Deutsche Musikhochschulen in der Corona-Krise
Stille Unruhe
(ob)

Das erste Corona-Semester im Frühjahr 2020 haben die 24 deutschen Musikhochschulen trotz erheblicher Blessuren noch leidlich überstanden. Man habe die „extreme Herausforderung“ damals gemeistert, lobt Susanne Rode-Breymann den Versuch, unter den extremen Kontaktbeschränkungen ein einigermaßen funktionierendes Studium zu ermöglichen. Leider, so bilanziert die Präsidentin der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, hätten alle Schulen dabei eine Seite ihrer Doppelexistenz als Ausbildungsstätte und Kultureinrichtung eingebüßt und bis heute, an der Schwelle eines nicht auszuschließenden Lockdowns im Herbst 2021, nicht wiedergewonnen. Man verharre daher in „stiller Unruhe“. Denn die Exzellenz eines künstlerischen Studiums sei ohne gemeinsames Musizieren und ohne Auftritte vor Publikum nicht erreichbar. Vor dem vermutlich vierten Corona-Semester schlage die Stimmung angesichts einer „Langzeitkrise mit dramatischen Folgen“ nun um. Ohne den Erfahrungsraum des Bühnenauftritts vor realem Publikum führe kein Studium zum Ziel einer ausreichenden Befähigung für eine Berufstätigkeit in der Kultur. Dieses Zurückbleiben hinter dem Notwendigen des Studiums werde durch fehlende Berufsaussichten psychisch potenziert. Und was passiere mit einer Gesellschaft, „die zuläßt, daß ihr die Kultur abhanden kommt“? Die über Nacht nicht mehr „systemrelevante“ Kunst, die seit Jahrtausenden das menschliche Dasein präge, werde der (berechtigten) Sorge um körperliche Unversehrtheit unverhältnismäßig nachgeordnet. Kunst sei jedoch kein billiges „Freizeitvergnügen“, sondern Kern des Menschlichen (Die Politische Meinung, 567/2021). 


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