© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/21 / 02. Juli 2021

Zeitschriftenkritik: Nebelspalter
Satirisches aus der Schweiz
Werner Olles

Zehnmal jährlich mit einer Gesamtauflage von 18.000 Exemplaren erscheint das Schweizer Satiremagazin Nebelspalter seit seiner Gründung 1875 im 147. Jahrgang. „Unbequem, direkt, klar liberal“ und EU skeptisch, ist das Blatt inzwischen eine Institution. In der aktuellen Ausgabe widmet sich Chefredakteur Ralph Weibel in seinem Editorial dem „fremden Wesen Europa“, nachdem „man sich nicht einmal mehr auf die Klimaerwärmung verlassen kann, seit dem kältesten April seit Jahrzehnten, und auch der Wonnemonat eher ein Wannemonat war, wohin man sich zurückziehen mußte, wenn man nach Wärme lechzte“.

Wie sich der Rassismus ins eigene Denken beißt, beschreibt der Nebelspalter an den zwei Autorinnen Rahel El-Maawi und Mandy Abou Shoak, die jetzt offiziell schweizerische Lehrmittel auf rassistische Darstellungen untersuchen und kritisieren dürfen. Und das direkt unter einem Cartoon, in dem zwei Direktoren drei Putzfrauen bei ihrer Arbeit zuschauen und ihre Beobachtung grinsend mit der Bemerkung würzen: „Wir haben jetzt vermehrt Frauen in der Chefetage …!“

Ärger bekam hingegen der Schriftsteller Adolf Muschg, weil er die Aussage wagte: „Die Canceling-Culture, die wir heute haben (…) ist im Grunde eine Form von Auschwitz.“ Das ist zwar kein „Vergleich“, wie die „Eidgenössische Kommission für Rassismus“ haderte, doch spielt das für die Zensoren keine Rolle, und so bekam auch der zuständige Moderator einen Rüffel, weil er dies unwidersprochen habe stehen lassen. Absurd, „denn genau das ist die Cancel Culture, auf die Muschg hingewiesen hat: den eigenen Standpunkt als den einzig moralisch akzeptablen zu sehen“, schreibt Hans Durber.

Dominic Ledergerber befaßt sich in seinem Beitrag „Das Privileg, nicht wollen zu dürfen“ mit der überraschten EU in Sachen Rahmenabkommen. Die Schweiz erteilte den Eurokraten eine schallende Ohrfeige, doch fürchtet der Autor, daß sie sich früher oder später auf einen Deal mit der EU einlassen müsse. Zwar habe man im Mai 2021 dem langwierigen Verfahren mit einem mürrischen „Kä Luscht“ ein jähes Ende gesetzt und damit Kommissionspäsidentin Ursula von der Leyen schwer verärgert. Schließlich sei das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in der Schweiz dreimal höher als der Median der anderen 27 Mitgliedsstaaten. Und da ist noch die Neutralität des Alpenstaates, der zu reich ist, um ignoriert zu werden, und es nicht als sein Problem ansieht, wenn ein türkischer Despot seine Flüchtlinge als Druckmittel auf die EU mißbraucht. Dazu paßt ein Cartoon, in dem ein Eurokrat das EU-Fähnchen hochhält und ein Schweizer Ehepaar konsterniert fragt: „Sehr schön, aber gibt’s die auch mit Schweizer Kreuzen?“

Kontakt: Nebelspalter. Bahnhofstr. 17-19. CH-9326 Horn. Das Einzelheft kostet 11,80 CHF, ein Jahresabo 128 Franken. 

 www.nebelspalter.ch