© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/21 / 02. Juli 2021

Von der multikulturellen zur polykulturellen Gesellschaft
Wenn alle Minderheit sind
(wm)

Wenn eine Gesellschaft nicht so zerfallen soll, daß es „für glühende Anhänger des Neoliberalismus ein Fest ist“, dann muß sie den Rat Wolfgang Lünenbürger-Reidenbachs einholen. Der „Kommunikationsexperte“ ist bei der PR-Agentur Burson Cohn & Wolfe Kreativitätschef für Europa und Afrika. Und als erweitertes Mitglied der 12. EKD-Synode treibt ihn die Frage um, wie die zur Minderheit gewordenen evangelischen Christen diesem Zerfallsprozeß begegnen sollten (zeitzeichen, 5/2021). Sein Rezept dafür lautet schlicht, die Mehrheitsgesellschaft durch eine „polykulturelle Minderheiten-Mehrheit“ zu ersetzen. Die führe sogar noch einen Schritt über das derzeit gültige Modell der „multikulturellen Gesellschaft“ hinaus, bei dem eine Mehrheit Minderheiten „ leitkulturell zu integrieren“ versuche. In der „polykulturellen Ära“, in die das bunte Einwanderungsland für Lünenbürger-Reidenbach gerade eintritt, löst sich hingegen die Mehrheit in hohem Tempo auf. Eine kulturelle Identität, die „Mehrheit“ abbildet, gebe es bald nicht mehr. Trotzdem sei der „Zusammenhalt einer Minderheiten-Mehrheit als liberale Demokratie“ möglich. Sie funktioniere nach dem kategorischen Imperativ „intersektionaler Solidarität“: Lerne aus eigener Minderheitenerfahrung, Bedürfnisse anderer Minderheiten als gleichwertig anzuerkennen! 


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