© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/21 / 02. Juli 2021

Kabinenklatsch
Protest-Langeweile in London
Ronald Berthold

Vor Aufregung hatte ich mir schon die Fingernägel abgekaut. Welche kreative Aktion würden sich die deutsche Politik und ihr Regenbogenteam wohl ausgedacht haben, um dem Briten-Premier Boris Johnson in Wembley so richtig klarzumachen, daß er eine Arschgeige und wir die Guten sind? Nur beim Reise-Verbot für die deutschen Fans ins Mutterland des Kolonialismus, der Brexiteers und Covidioten wird man es doch hoffentlich nicht bewenden lassen haben?

Es kam der Kniefall gegen Rassismus. Wer gähnt da? Gut, ist zwar nicht wirklich kreativ. Aber wir haben erneut gezeigt, wo das Moralin täglich mit Suppenkellen verschlungen wird. Es hatte sich doch bewährt, bunt gegen den ungarischen Diktator und die – wie die deutsche Vizepräsidentin des EU-Parlaments sie mutig nannte – faschistischen Fans zu protestieren. Wenn ich das im Staatsfernsehen richtig verstanden habe, drückte die ganze Welt unserer Elf die Daumen, daß wir das Reich des Hasses, das es verboten hat, Kindern pornographische und homosexuelle Werbung zu zeigen, aus der Arroganz-Arena fegen.

Wir können stolz auf uns sein: Haben wir es doch endlich gewagt, mit dem reaktionären Gedanken der Völkerverständigung beim Sport so richtig aufzuräumen. Gastfreundschaft? Vergeßt es! Respekt vor dem Gegner? Doch nicht vor Nazis! Fairplay? Ist sowas von britisch! Und damit Verrat an der EUdSSR. 

Haben Sie das gesehen? Obwohl sie ausgeschieden sind, haben sich die ungarischen Spieler vor den Faschistenblock gestellt und mit diesen Untermenschen ihre Nationalhymne gesungen. Pfui Teufel! Unser Manuel Neuer hantierte dagegen mit seiner regenbogenfarbenen Kapitänsbinde vor der Kamera. Die Welt weinte vor Ergriffenheit.