© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/21 / 09. Juli 2021

Janez Janša. Ob kommunistisches Jugoslawien oder Europäische Union: Der neue EU-Ratspräsident provoziert.
Der Dissident
Paul Leonhard

Der 62jährige ist schon vieles gewesen: Jungkommunist, Journalist, Militärwissenschaftler, Dissident, Häftling, Kriegsheld, Minister, scharfzüngiger Oppositionsführer, seit 1993 Chef der rechtskonservativen „Slowenischen Demokratischen Partei“, Premierminister, EU-Ratspräsident – und nun auch Skandalon. Denn seit Janez Janšas Amtsantritt vor einer Woche ist die Aufregung groß: Kaum etwas, was die Medien den slowenischen Regierungschef nicht heißen: „Westentaschen-Orbán“, „Mini-Trump“, rechter Brandstifter sowieso. 

 In die Ratspräsidentschaft brachte er gleich einen schon seit Juni rumorenden Eklat mit: Der Ernennung zweier seiner Landsleute als Mitglieder der neuen Europäischen Staatsanwaltschaft will Janša nicht zustimmen. Weil sie eine kommunistische Vergangenheit haben, schimpft er; weil sie an früheren Ermittlungen zum Vermögen Janšas beteiligt waren, unterstellen seine Gegner. Daß er jetzt auch noch zwei slowenische Richter und zwei Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion des EU-Parlaments „diffamiert“ habe, wie Kommissionsvize Frans Timmermans klagt, hat das Faß zum Überlaufen gebracht. Timmermans boykottierte den offiziellen Fototermin zum Amtsantritt, Kommissionspräsidentin von der Leyen nutzte die Gelegenheit, Janša zu belehren. Daß sie damit bei dem wegen seiner ständigen Twitter-Nachrichten als „Marschall Twito“ verspotteten rechtskonservativen Polterer auf Gehör stößt, ist zweifelhaft. „Kommunistische“ Richter, die sind für ihn nicht verhandelbar, davon hat sein Land noch zu viele.

Janša fürchet kein Tabu und nennt „kulturellen Marxismus“ die „zentrale Bedrohung für die EU“

Damit steht Janša für jenen Riß durch die EU zwischen osteuropäischen Ländern, die hart für ihre Befreiung vom Kommunismus und nationale Wiedergeburt gekämpft haben und wie er den „kulturellen Marxismus“ als „zentrale Bedrohung für die EU“ sehen, und den westlichen Gesellschaften, deren Medien unterschwellig gerne den Eindruck erwecken, protestierende Minderheiten in der Hauptstadt Laibach seien die Mehrheit – die Janša, Plakate zeigen es, am liebsten hinter Gittern sehen würden.

Wie es sich im Gefängnis lebt, weiß der. Als junger Mann saß er 18 Monate wegen unliebsamer Zeitungsartikel im jugoslawischen Gefängnis. Seine Verurteilung löste jene Massenproteste aus, die 1991 zur Unabhängigkeit Sloweniens führten und den Dissidenten an die Spitze des neuen Staates – erst als Verteidigungsminister im „Zehn-Tage-Krieg“ gegen die jugoslawische Volksarmee und dreimal als Ministerpräsident, zuletzt seit März 2020. Außer mit steilem Aufstieg hat er auch Erfahrung mit tiefem Fall. Korruptionsvorwürfen folgten 2013 Rücktritt und Verurteilung zu zwei Jahren Haft. Doch nach zwei Wochen kam er schon wieder frei, das Verfassungsgericht kassierte das Urteil wegen Befangenheit eines Richters. Janša startete erneut durch. 

Dabei fürchtet er kein Tabu. Etwa verteidigte er den österreichischen Identitären-Chef Martin Sellner ob dessen ständiger Verleumdung als „aufrechten Mitkämpfer“ und bescheinigte der Regierung Kurz, „nichts mehr zu fürchten als patriotische Stimmen“. Auch mit der Presse legt er sich an und ist sich nicht zu fein, der ihre Ausfälle mit gleicher Münze heimzuzahlen: Journalistinnen verunglimpfte er als „Prostituierte“, die slowenische Nachrichtenagentur als „Schande“. Kein Zweifel, es wird spannend in der EU.