© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/21 / 09. Juli 2021

Ländersache: Saarland
Grüner „Panzer“ für Berlin
Christian Schreiber

In der Parteisatzung der Grünen steht geschrieben, daß der erste Platz einer Landesliste zur Bundestagswahl von einer Frau besetzt werden muß. Erst wenn keine Frau eine Mehrheit erhält und keine weitere ihre Kandidatur erklärt, kann ein Mann in die Bresche springen. Die Landesliste im Saarland wird allerdings von jemandem angeführt, den seine Kritiker bereits vor Jahren als „Panzer“ bezeichnet haben. 

Die Rede ist von Hubert Ulrich. Lange Jahre hatte der 64jährige den Verband mit harter Hand geführt, zwei Dutzend Mitstreiter verschlissen und 2009 die bundesweit erste Jamaika-Koalition gegen den Willen des Bundesvorstands gebildet. 2017 war Ulrich als Spitzenkandidat an der Fünfprozenthürde gescheitert und hatte seinen Rückzug aus der aktiven Politik angekündigt. Nun ist er wieder da. Ende Juni wurde er zum Listenführer gekürt, nachdem die Landesvorsitzende Tina Schöpfer zuvor in drei Wahlgängen ohne Gegenkandidatin gescheitert war. Schließlich beschloß die Versammlung, daß auch Männer antreten können. Ulrich stieg in den Ring und siegte gegen die Landesvorsitzende der Grünen Jugend, Jeanne Dillschneider. Das Grüne Bündnis Saarland (JF 17/21) bemängelt, Dillschneider hätte nach dem Frauenstatut der Vorsitz ohne Gegenkandidaten zugestanden. „Vielleicht hat Ulrich sich in dem Moment sehr weiblich gefühlt“, spottete ein führender FDP-Politiker bei Facebook. 

Doch zum Lachen ist den Grünen nicht zumute. Bis zum 19. Juli muß die Partei eine rechtssichere Liste bei der Landeswahlleitung eingereicht haben. Zwei Tage zuvor findet ein Parteitag statt. Mehrere Kreis- und Ortsverbände hatten die Liste dem Landesschiedsgericht vorgelegt, das sich jedoch für befangen erklärte. Ob das Bundesschiedsgericht oder ein anderes Landesgericht nun über den Fall entscheidet, ist unklar. Die frischgewählte Landesspitze ist indes zurückgetreten. Die Landesvorsitzende Barbara Meyer-Gluche gab am Sonntag bekannt, am 17. Juli nicht erneut zu kandidieren: der sechste Rücktritt innerhalb weniger Tage. Gegen die Rechtmäßigkeit der Liste gibt es mehrere Einsprüche, die sich nicht nur auf einen Verstoß gegen das Frauenstatut beziehen. Ulrich habe per WhatsApp Mehrheiten unter den Delegierten für sich organisiert, wirft ihm das Grünen-Mitglied Jörg Franzen im Saarländischen Rundfunk (SR) vor. Zudem sollen unberechtigte Wähler ihre Stimme abgegeben haben. Ulrich weist Vorwürfe der illegitimen Beeinflussung zurück. „Es werden ständig Normalitäten kritisiert“, sagte er dem SR. Außer Frage steht, daß Ulrich seinen mitgliederstarken Saarlouiser Ortsverband und den Kreisverband Saarbrücken hinter sich versammelt hat. Beide stellen zusammen rund zwei Drittel der Delegierten. Die Grünen-Bundesspitze ist bereits auf Distanz zu Ulrich gegangen, will keinen Wahlkampf mit ihm machen. Doch der „grüne Panzer“ denkt nicht an Rückzug. Seine Anhänger dominieren den Landesvorstand, der auch am Wochenende jeden Vergleichsvorschlag ablehnte. 

Sollte die Aufstellung kassiert werden, stünden die Grünen im September im Saarland nicht auf dem Wahlzettel. Viele in der Partei halten dies für die beste Lösung. Ein Nichtantritt würde maximal 0,1 Prozent ausmachen, argumentieren sie.