© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/21 / 09. Juli 2021

Kehrt marsch!
Bundeswehr zieht ab: Die letzten Soldaten sind aus Afghanistan zurück / Politik abwesend
Christian Vollradt

Der erste der drei Militättransporter vom Typ Airbus A400M setzte am vergangenen Mittwoch um Viertel vor zwei  auf der Landebahn des Fliegerhorsts Wunstorf bei Hannover auf. Mit ihm sowie den folgenden Maschinen kehrten die letzten 264 Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan zurück. Am Dienstag, kurz vor Mitternacht Ortszeit hatten sie den afghanischen Luftraum verlassen. Als letzter deutscher Soldat hatte Kontingentführer Ansgar Meyer das Flugzeug in Mazar-e Sharif, im Norden des Landes, bestiegen. Begleitet wurde der Brigadegeneral von Angehörigen des Kommandos Spezailkräfte (KSK), die den deutschen Abzug sicherten. Passenderweise wird Meyer bald der neue Kommandeur der Elitetruppe in Calw sein. 

Das alles lief zunächst unter höchster Geheimhaltung ab. Sogar die Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Bundestages, die am Mittwoch morgen noch zu einer Sondersitzung wegen des Anschlags auf eine Bundeswehrpatrouille in Mali zusammengekommen waren, erfuhren erst kurzfristig von der Rückkehr der Soldaten vom Hindukusch, mit der die Bundeswehr ihren fast 20 Jahre dauernden Einsatz dort ziemlich abrupt beendete (JF 17/21). Das Mandat für die Unterstützungsmission „Resolute Support“ wäre erst im kommenden Januar ausgelaufen.

Bei der Ankunft auf dem niedersächsichen Fliegerhorst blieben die Militärs unter sich. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) weilte zum – länger schon geplanten – Besuch beim amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin in Washington. Einen Staatssekretär hatte sie auch nicht entsandt. Angeblich, so hieß es aus dem Bendlerblock, sei es der Wunsch der Soldaten gewesen, auf einen größeren Empfang zu verzichten, da sie möglichst unverzüglich zu ihren Angehörigen wollten. Die Zeremonie in Wunstorf fiel entsprechend „familiär“ aus. Meyer dankte seinen Untergebenen – „Sie haben meine Erwartungen weit übertroffen“ – und belobigte einige Offiziere. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Erich Pfeffer, entband den Kontingentführer von seinem Kommando und versicherte den Heimgekehrten, sie dürften „jede beziehungsweise jeder für sich und genauso als Team, auf ihre Leistung  stolz sein“. Am Schluß rollte Brigadegeneral Meyer die Truppenfahne ein. 

Da nicht das gesamte Kontingent auf einen Schlag zurückkam, sondern sich der Abzug über mehrere Termine erstreckte, wolle die Ministerin die zurückgekehrten Soldaten „alle gemeinsam in einem angemessenen Rahmen würdigen“, sagte eine Sprecherin. Das soll am 31. August mit einem Abschlußappell in Berlin im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier  geschehen.

Unterdessen geht die Debatte um die Behandlung sogenannter Ortskräfte, also Afghanen, die im Dienst der Bundeswehr standen, weiter. Viele der Betroffenen, die laut Bundeswehr „zum Teil über Jahre hinweg auch unter Gefährdung ihrer eigenen Sicherheit an unserer Seite gearbeitet und auch mitgekämpft haben“, fürchteten nun eine Verfolgung durch die vorrückenden Taliban. Das Auswärtige Amt wies den Vorwurf zurück, man baue von deutscher Seite Hürden auf. „Ganz im Gegenteil versuchen wir, das Verfahren einfacher und schneller zu machen“, so ein Sprecher am Montag. Bis zum Zeitpunkt des Abzugs der Bundeswehr, wurden laut Verteidigungsministerium für 464 Ortskräfte und deren Familien, insgesamt 2.250 Personen, Reisedokumente vor Ort ausgegeben. Nicht alle von ihnen wollten auch gleich ausreisen, hob ein Ministeriumssprecher hervor: „Es gab eine ganze Reihe von Ortskräften, die gesagt haben: Wir wollen eigentlich so lange wie möglich in Afghanistan bleiben. Aber wir wollen, wenn sich die Sicherheitslage vor Ort verschärft, die Möglichkeit haben, auszureisen.“





In Afghanistan gefallene Bundeswehrsoldaten

29.5.2003 Stabsgefreiter Stephan Kamins; 7.6.2003 Oberfeldwebel Carsten Kühlmorgen, Oberfähnrich Andreas Beljo, Feldwebel Helmi Jimenez-Paradis, Stabsunteroffizier Jörg Baasch; 25.6.2005 Oberfeldwebel Christian Schlotterhose; Hauptfeldwebel Andreas Heine; 14.11.2005 Oberstleutnant Armin Franz; 19.5.2007 Hauptmann Matthias Standfuß; Hauptfeldwebel Michael Diebel; Oberfeldwebel Michael Neumann; 27.8.2008 Hauptfeldwebel Mischa Meier; 20.10.2008 Stabsunteroffizier Patrick Behlke; Stabsgefreiter Roman Schmidt; 29.4.2009 Hauptgefreiter Sergej Motz; 23.6.2009 Obergefreiter Oleg Meiling; Hauptgefreiter Martin Brunn; Hauptgefreiter Alexander Schleiernick; 4.10.2009 Stabsgefreiter Patric Sauer; 2.4.2010 Hauptfeldwebel Nils Bruns, Stabsgefreiter Robert Hartert und Hauptgefreiter Martin Kadir Augustyniak; 15.4.2010 Major Jörn Radloff, Hauptfeldwebel Marius Josef Dubnicki, Stabsunteroffizier Josef Otto Kronawitter; Oberstabsarzt Dr. Thomas Clemens Broer; 7.10.2010 Oberfeldwebel Florian Pauli; 18.2.2011 Hauptfeldwebel Georg Missulia, Stabsgefreiter Konstantin Menz,  Hauptgefreiter Georg Kurat; 25.5.2011 Hauptmann Markus Markus Matthes; 28.5.2011 Major Thomas Tholi, Hauptfeldwebel Tobias Lagenstein; 2.6.2011 Oberstabsgefreiter Alexej Kobelew; 4.5.2013 Hauptfeldwebel Daniel Wirth