© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/21 / 09. Juli 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ferien mit Unterbrechung
Paul Rosen

Als Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) die wenigen noch im Plenarsaal befindlichen Abgeordneten mit einem überschwenglichen Dank „für den Einsatz für unsere Demokratie hier im Herzzentrum der Demokratie“ in die Sommerpause verabschiedete, dürften viele Mitarbeiter in Fraktionen, Parteien und im gesamten politischen Berlin tief durchgeatmet haben. Endlich Sommerpause und Ruhe bis zur Wahl. Doch weit gefehlt. Vor der Bundestagswahl am 26. September soll der Bundestag tatsächlich noch einmal zusammentreten. Am 7. September soll es eine auf eine Dauer von drei  Stunden veranschlagte Sondersitzung geben.

Als Thema haben sich die Fraktionen bei dieser „vereinbarten Debatte“ die „Situation in Deutschland“ ausgesucht. Das wirft die nicht uninteressante Frage auf, worüber das Hohe Haus in den vergangenen vier Jahren so alles debattiert hat, wenn man noch kurz vor der Wahl eine Grundsatzdebatte zur Lage der Nation, wie es früher geheißen hatte, ansetzen mußte. 

Sondersitzungen hat es allerdings auch in vergangenen Legislaturperioden gegeben. Dabei ging es meistens um die Zustimmung des Parlaments zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Aber eine Art Generalaussprache, wie sie sonst nur in Haushaltswochen des Bundestages üblich ist, hat es noch nicht gegeben. Beschlüsse dürften zu dieser Debatte vermutlich nicht gefaßt werden. Es gehört zum Wesen von „vereinbarten Debatten“, daß sie regelmäßig ohne Abstimmung enden.  Spötter dürften sich bei der Debatte „zur Situation in Deutschland“ ohnehin an den Spruch des bayerischen Volksdichters Karl Valentin erinnern, der einst meinte, es sei alles gesagt, aber nicht von allen.

Eine Abstimmung könnte es allerdings doch noch geben. Der von der Großen Koalition geplante Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler von 2026 an scheiterte kurz vor der Sommerpause an der Ablehnung des Bundesrates. Die Länder sind zwar unisono für diesen Anspruch und nach der föderalen Staatsordnung für die Schulen zuständig. Sie finden allerdings die Kosten für ihre Haushalte viel zu hoch. Daher fordern sie nicht nur eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Investitionskosten, sondern auch eine dauerhafte Beteiligung an den Betriebskosten für den Ganztagsbetrieb in den Grundschulen. Sollte der Vermittlungsausschuß von Bundesrat und Bundestag, der jetzt in der Sommerpause intensiv tagen muß, einen Kompromiß finden, könnte dieser dann in der Sondersitzung des Bundestages am 7. September beschlossen werden.

Auch mehrere Bundestagsausschüsse haben bereits bei Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) nachgefragt, ob sie am Nachmittag des 7. September vielleicht doch noch eine Sitzung abhalten können. Zwar hat niemand mehr Wichtiges auf der Tagesordnung stehen, aber frei nach Valentin könnte man sich ja noch einmal über das unterhalten, womit man sich in den vergangenen vier Jahren auch schon ausgiebig beschäftigt hat.