© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/21 / 09. Juli 2021

Der Ehre nicht mehr würdig
US-Gesetz zu Statuen im Kapitol: Vermeintlich rassistische Denkmäler sollen entfernt werden
Liz Roth

Das Schicksal einiger Statuen im amerikanischen Kapitol scheint besiegelt. Für die New York Times sind sie „Symbole des Rassismus und der weißen Vorherrschaft“. Andere Stimmen nennen sie wiederum einen „wichtigen Teil“ der amerikanischen Geschichte. Die Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses stimmten vergangene Woche mit einer Mehrheit von 285 zu 120 Stimmen für die Entfernung vermeintlich rassistischer Denkmäler aus den Marmorhallen des Kapitols. Nun steht noch die Entscheidung des Senats über das Gesetz aus.

Seit vielen Jahren bemühen sich Verfechter der Politischen Korrektheit und demokratische Abgeordnete, die Bronzestatuen derer zu entfernen, die während des Bürgerkrieges 1861 bis 1865 für die konföderierte Armee der Südstaaten kämpften oder diese unterstützten. Denn ihrer Meinung nach stehen besagte historische Akteure für Sklaverei und Unterdrückung. „Wie können wir erwarten, die Geißel des Rassismus zu beenden, wenn wir gestatten, daß die schlimmsten Täter in den Hallen des Kongresses gelobt werden“, begründete die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi (Demokraten) das Vorpreschen ihrer Partei. 

Bislang war es immer eine komplizierte Angelegenheit gewesen, denn der Kongreß hat über einen Großteil der Denkmäler keine Autorität. Laut einem Gesetz, das aus der Zeit des Bürgerkriegs stammt, kann jeder der 50 Bundesstaaten zwei Statuen von verstorbenen Bürgern nach Wa­shington schicken, die er „wegen ihres historischen Ansehens oder wegen hervorragender bürgerlicher oder militärischer Verdienste“ für „dieses nationalen Gedenkens würdig“ hält. 

Viele der in die Kritik geratenen Figuren wurden im frühen 20. Jahrhundert errichtet, als die Südstaaten die „verlorene Sache“ der Konföderation romantisierten. Eine Statue von Robert E. Lee, dem Kommandeur der konföderierten Armee, wurde bereits im Dezember auf Wunsch der Regierung des Bundesstaates Virginia aus dem Kapitol verbannt. Nun soll es weiteren Figuren an den Kragen gehen. So auch der Statue des ehemaligen Präsidenten der Konföderierten Staaten, Jefferson Davis, sowie der seines Vize-Präsidenten Alexander H. Stephens. Auch die Büste des ehemaligen Obersten Richters Roger Taney soll entfernt werden. Aus seiner Feder stammte ein wichtiges Dokument zum Erhalt der Sklaverei. Er verfaßte den Text zur Dred-Scott-Entscheidung von 1857, in der eine Mehrheit des Obersten Gerichtshofs beschloß, daß Schwarze keine amerikanischen Staatsbürger seien und Sklaverei nicht der US-Verfassung widerspreche. Die Entscheidung wurde allerdings später durch den 13. und 14. Verfassungszusatz in den Jahren 1862 beziehungsweise 1868 gekippt. Nun soll Taney durch Thurgood Marshall, den ersten schwarzen Richter am Supreme Court, ersetzt werden. 

Der republikanische Abgeordnete Kevin McCarthy, der den Staat Kalifornien im Repräsentantenhaus vertritt, stimmte ebenfalls für eine Entfernung der in die Kritik geratenen Figuren. „Lassen Sie mich eine einfache Tatsache festhalten: Alle Statuen, die durch diesen Gesetzentwurf entfernt werden, sind von Demokraten gestiftete Statuen“, begründete McCarthy seine Entscheidung. „Es ist interessant, daß die Statuen, die entfernt werden sollen, von Staaten an das Kapitol geschickt wurden, die seit jeher mehrheitlich unter demokratischer Kontrolle stehen. Sie schickten sie an ein ebenfalls mehrheitlich von Demokraten kontrolliertes Haus, das diese Statuen akzeptierte“, fügte er hinzu. 

Demokraten sehen in Statuen Symbole für Sklaverei

McCarthy betonte in seiner Rede im Kongreß, die Demokraten hätten in der Vergangenheit diskriminierende Beschlüsse verabschiedet wie beispielsweise die Jim-Crow-Gesetze, die Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe trennten und Schwarze entrechteten. Seiner Ansicht nach versuchten die Demokraten auch heute noch, Menschen wegen ihrer Hautfarbe mit angeblichen Anti-Rassismus-Initiativen wie der „Kritischen Rassentheorie“ zu diskriminieren. 

Der Chef der Demokraten im Repräsentantenhaus, Steny Hoyer, der den aktuellen Entwurf für das Gesetz vorgestellt hatte, sagte nach der Stimm­abgabe, er hoffe, der Senat werde die Maßnahme „ohne Verzögerung“ zur endgültigen Abstimmung bringen. „Heute bezog das Abgeordnetenhaus Position gegen Ungerechtigkeit und sendete die Botschaft an das amerikanische Volk, daß Symbole der Sklaverei, der Rassentrennung und Aufruhr in den Hallen des Kongresses nicht willkommen sind“, bekräftigte Hoyer in seiner Erklärung. „Ich freue mich, daß unser Gesetzentwurf zur Beseitigung von Symbolen des Hasses im Repräsentantenhaus verabschiedet wurde. Auch wenn wir unsere Geschichte nicht ändern können, können wir daran arbeiten, die Ideale zu stärken, auf die unser Land aufgebaut wurde: Gerechtigkeit und Gleichheit für alle.“ Symbole der Sklaverei und Rassentrennung verunglimpften das Kapitol und hätten dort keinen Platz. Personen, die daran gearbeitet hätten, die Knechtschaft von Afroamerikanern festzuschreiben oder sie daran zu hindern, volle und gleiche Rechte zu erlangen, seien es nicht wert, in Amerika geehrt zu werden, führte der Demokrat aus. 

Einige Republikaner erwiderten hingegen, daß die Gesetzgebung unnötigerweise die Autorität der einzelnen Staaten untergrabe, besonders da einige Südstaaten bereits dabei seien, ihre Statuen zu ersetzen.Weitere Gegner des Gesetzentwurfs betonten, es sei falsch, den einzelnen US-Bundesstaaten vorzuschreiben, wen sie mit Statuen im Kapitol ehren dürften. Der Republikaner Mo Brooks aus Alabama kritisierte, das Vorhaben sei ein weiteres Beispiel für „Stigmatisierungskult und Geschichtsrevisionismus“ von „Eliten, die behaupten, mehr zu wissen als normale Bürger.“ Auch Marjorie Taylor Greene, eine Abgeordnete der republikanischen Partei aus Georgia, sieht hinter der Gesetzgebung einen „Griff nach der Macht“. „Alle Tyrannen in der Geschichte reißen Statuen ab und versuchen, die Geschichte zu löschen, um mit eiserner Faust zu regieren“, schrieb sie auf Twitter.

Der Schritt markiert das zweite Jahr in Folge, in dem die untere Kongreßkammer eine Maßnahme zur Entfernung von Statuen aus dem Kapitolgebäude verabschiedet hat, die Personen ehren, die in der Konföderation gedient oder sie unterstützt haben. 

Der Senat, der im vergangenen Jahr noch von den Republikanern kontrolliert wurde, hatte die Gesetzesvorlage bislang blockiert. Sie war inmitten der Ausschreitungen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd eingebracht worden, bei denen „Black Lives Matter“-Unterstützer im ganzen Land mehr Rassengerechtigkeit forderten. Nun halten die Demokraten eine knappe Mehrheit im Senat, die es ihnen erlaubt, eine Abstimmung über den Gesetzentwurf zu erzwingen. Es werden 60 Stimmen benötigt, um diesen zu beschließen. Folglich müßten auch mindestens zehn republikanische Senatoren für das Gesetz stimmen.