© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/21 / 09. Juli 2021

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Reinhard Müller hat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Ausgabe vom 2. Juli) einen Leitartikel unter der verheißungsvollen Überschrift „Folgen einer falschen Politik – Die Bluttat von Würzburg zeigt die Schattenseite der Willkommenspolitik“ geschrieben, in dem er das Lavieren der Offiziellen und das Schweigen der Qualitätsmedien kritisiert, die Neigung allzu schnell zur Tagesordnung überzugehen, der Angst vor dem Beifall von der falschen Seite alle anderen Erwägungen unterzuordnen und nur ganz abstrakt von den drohenden Gefahren zu sprechen. Allerdings: in Müllers Text tauchen weder die Begriffe „Islam“ noch „Moslem“ auf.

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Die französische Post hat eine Briefmarke im Großformat – 40 x 52 mm – ausgegeben. Das Motiv: der Kaiser im Exil, Uniform, Zweispitz auf dem Kopf, mit dem Rücken zum Betrachter, auf kargem Eiland, die Arme verschränkt, den Blick zum Meer (zur Heimat?) gerichtet. Sonst nur noch „Napoléon 1769–1821“ und gold gehöht das „N“ samt imperialem Adler.

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„Die Deutschen von heute sollen – wenn es nach mir geht – nicht bereuen, was ihre Väter getan haben. Sie sollen nicht büßen und sollen sich nicht flagellieren. Sie sollen sich nicht für schlechter halten – und nicht für so arg viel besser – als irgendwen sonst.“ (Rudolf Augstein, Herausgeber des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, 1966)

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Bevor man in Frankfurt am Main die Untertunnelung der Bahnstrecke betreibt, sollte man die der Kaiserstraße in Angriff nehmen.

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Schmerzlichster Mangel: der an würdigen Gegnern.

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Bonaventure Ndikung verdankt seinen Posten als zukünftiger Leiter des Hauses der Kulturen der Welt der Einflußnahme gewisser linker Lobbygruppen – er spricht von „Grassroots-Arbeit“ – und dem Votum der Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Was er zur Zukunft der neugeschaffenen Institution sagt, ist im Jargon der Zeit gehalten: Antirassismus, wokeness und Postkolonialismus. Betont wird die Einheit der Welt, die Notwendigkeit, ihre Wunden zu heilen, den Westen zur inneren Einkehr (und zur Zahlung von Reparationen) zu bringen und selbstverständlich: die Rückgabe von Kulturgütern, die von den Imperialisten geraubt wurden. So etwa der Königsthron aus Bamun in Kamerun, der im Berliner Ethnologischen Museum zu sehen ist: „Der gehört dem Volk der Menschen von Bamun. Es gibt keinen preußischen Kulturbesitz aus Afrika.“ Das ist im Grunde nur so zu verstehen, daß Ndikung die Existenz von Völkern annimmt, die keine Konstruktionen, sondern organische Einheiten sind, „große Menschen“, die wie das Individuum Rechte genießen und einfordern können. Was entweder auf einen verkappten Ethnopluralisten hindeutet, oder auf jemanden, der im Namen von Gleichheit und One World einen neuen Suprematismus einführt. Für ersteres spricht wenig, für letzteres viel.

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Die Ungerührtheit, mit der der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán die Kritik von Amtskollegen und der „Schwesterparteien“ seiner Fidész über sich ergehen läßt, kann nicht verwundern. Den Vorwurf, die „europäischen“ oder die „christdemokratischen Werte“ zu verraten, pflegt er damit zu kontern, daß er gewiß sei, dem, was die Gründerväter der Gemeinschaft für gut und richtig hielten, näher zu stehen als seine Gegner.

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Ewige Wahrheit 1: „Wenn es um Unsterblichkeit geht, ist die Frisur ganz irrelevant.“ (Schwester Monica Joan)

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„Mit den besten Empfehlungen bzw. Handkuß an Deine sehr verehrte Frau Gemahlin – auch von meiner Frau – bin ich Dein, hochgeehrter Herr Präsident, stets hochachtungsvoll ergebenster G. M.“ (Schluß eines Briefes, Beilage zu einem antiquarisch erworbenen Buch, Klagenfurt, 1958)

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Ewige Wahrheit 2: „Die Hände des Allmächtigen finden sich sehr häufig am Ende unserer Arme.“ (Schwester Monica Joan)

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In ihrem Podcast zum Thema 80 Jahre „Überfall“ von „Nazi-Deutschland“ auf die Sowjetunion am 19. Juni widmete die Kanzlerin 53 Prozent ihrer Ansprache der deutschen Schuld, 32 Prozent dem guten Gorbatschow einst und dessen namenlosem bösen Nachfolger heute, 15 Prozent der notwendigen Zusammenarbeit mit Rußland (wegen der „Erderwärmung“ etc.). In ihrer Ansprache zur Eröffnung des Dokumentationszentrums „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ am 21. Juni verwendete die Kanzlerin 71 Prozent ihrer Redezeit auf Begrüßung, Danksagung und allgemeine Betrachtungen, sieben Prozent auf das Thema Ostvertreibung (unter Einschluß der Wendung an die „lieben Zeitzeugen“), zwölf Prozent auf das Thema der deutschen Schuld an der Vertreibung und zehn Prozent auf das Thema Migration und Fluchtursachen heute.

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Es gehörte zu den Gesetzmäßigkeiten des Wahlkampfs der Bonner wie der Berliner Republik, daß die Union einen Schritt nach rechts machte. Im Zweifel mußte die CSU für das entsprechende Signal sorgen. Damit ist es vorbei: die Landesliste geschlechterparitätisch besetzt, der bayerische Ministerpräsident mit FSP2-Maske in den Regenbogenfarben vorm Gesicht, ein (formal der CDU angehörender) Oberbürgermeister, den nach mehrfachem Frauenmord durch einen Täter mit Migrationshintergrund vor allem die Sorge umtreibt, daß bestimmte Bevölkerungsteile unter Generalverdacht gestellt werden könnten. gestellt werden könnten.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 23. Juli in der JF-Ausgabe 30-31/21.