© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/21 / 09. Juli 2021

Wenig Raum für ein Miteinander
Migrantische Haßpredigt: Mohamed Amjahids Anklageschrift gegen die schon länger hier lebenden „Weißdeutschen“
Horst Gabers

Mohamed Amjahid hat mit „Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken“ ein deutliches Buch geschrieben. Der Autor hat den Anspruch, aufzuklären und Lösungen anzubieten, um rassistisches Denken bewußtzumachen und zu verändern.

Gleich im ersten Satz der Einführung verkündet er: „Ich mache mir große Sorgen um meine körperliche Unversehrtheit, meine Existenz und mein Leben in Deutschland, Europa, im sogenannten Westen.“ Zusammen mit dem Gedenken an die namentlich aufgeführten neun Opfer, die 2020 in Hanau ermordet wurden, bildet es die Klammer für ein Buch, das wenig Raum gibt für ein Miteinander. Seine Unterscheidung zwischen Weißen und Nichtweißen, die er in diesem Buch praktiziert, zeigt eine scharfe Trennlinie, der er kompromißlos folgt. 

Er ist überzeugt von einer tief verwurzelten Ungleichheit und Ungerechtigkeit, die Nichtweiße in Deutschland erleben und fordert unter anderem eine Art „Reparationen“ für bislang Vorenthaltenes. Eine Diskriminierung von Weißen, den „umgekehrten Rassismus“, schließt er aus, das sei „Gedankenspiel oder Propaganda“. Verweise auf migrantisches Mobbing und Deutschfeindlichkeit subsumiert er unter „Tränenwasserschwimmen“ und „Opferolympiade“.

Amjahid beschreibt in einer Art Katalog auf dreißig Seiten seine Vorstellungen dazu, „wie man den rassistischen über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen der Privilegien und Diskriminierung entkommt“. Von dem Gebot, andersfarbige Menschen nicht nach dem „Woher“ zu fragen, über die Ermahnung, als weiße Person nicht in die Räume von Nichtweißen (Bars, Vereine, Freundeskreise) „eindringen zu wollen“, bis zu dem Rat, man solle Medien kündigen, deren „Herausgeberrat schön homogen weiß und männlich gehalten ist“, sind es insgesamt fünfzig umfassende Verhaltensanweisungen, „an denen man sich orientieren kann, um eine Süßkartoffel zu werden“. Dies ist seine Bezeichnung für Weiße, die bereit seien, ihre privilegierte Stellung und die Probleme des Rassismus zu erkennen. Desweiteren mahnt Ahmajid: „Achten Sie in Gruppen darauf, daß Sie nicht überproportional viel Redezeit und Raum in Anspruch nehmen. Vor allem weiße Männer tendieren dazu, länger als andere zu sprechen und mit ihren Körpern schlicht mehr Platz einzunehmen als sie brauchen.“  

Denunziation, Spott und Verachtung gegenüber Deutschen

Unter der Überschrift „Refugee Porn“ nimmt sich Amjahid die „pornographischen Gewaltfantasien (...) weißer deutschsprachiger Männer“ vor. Mit den Suchbegriffen „Flüchtling“ oder „Refugee“ käme man auf Internetseiten wie PornHub oder xHamster zu Videos, „in denen geflüchtete Frauen oder Pornodarstellerinnen, die Flüchtlinge spielen, erniedrigt werden“. Die Einschätzung des taz-Kolumnisten Amjahid: „Wenn man so will, lesen anscheinend viele Männer zuerst die Bild-Zeitung oder einen beliebigen rassistischen Leitartikel anderswo, um danach bei xhamster zuzuschauen, wie geflüchtete oder muslimische Frauen vergewaltigt werden.“

Der Faktencheck auf den beiden Web-Seiten bot ein überraschendes Ergebnis und führte zu insgesamt 57 Titeln von Videos, die jeweils mit einem Foto angekündigt sind. Zwei Videos zeigen dunkelhäutige, drei weitere muslimisch gekleidete Frauen. Bei den anderen 52 Filmen werden hellhäutige mehrfach in Titeln auch als „German“ beschriebene Frauen von offensichtlich schwarzen bzw. arabisch anmutenden Männern dominiert und sexuell gedemütigt. Ein völlig anderer Befund als das, was Amjahid auf 16 Seiten als Klageschrift gegen weiße deutsche Männer verfaßt hat.

Mit Deutschland hat er es nicht so. Ausgenommen sind da die nichtweißen Bewohner, People of Color, „in dieser von Andersmachung, Rassismus und egoistischer Menschenfeindlichkeit geformten Gesellschaft“. Ansonsten ist es das Land, in dem seine Eltern ausgebeutet wurden, in dem „weiß-deutsche Naivität“, „weiß-deutsche Überlegenheit“ und selbstgerechte Holocaust-Erinnerungskultur praktiziert werden, in dem die „Community of Color (...) tagtäglich physischen und verbalen Angriffen ausgesetzt“ sei und in dem eine Partei an die Macht strebe, „um Minderheiten undiplomatisch auszurotten“. 

Entweder sind überall Rassisten oder verhöhnte „Süßkartoffeln“

Muslimischen Autoren mit auch kritischen Anmerkungen zu ihrer Community wirft der Marokkaner mit deutschem Paß vor, sich als „Migrantische Kronzeugen“ in den Dienst der Mehrheit zu stellen und bezeichnet sie abwertend als „Token“. In seinem Buch hat Amjahid zu „Weißdeutschen“ nichts Positives zu vermelden, genaugenommen haben sie bei ihm keine Chancen: Entweder sind sie sowieso rassistisch oder erkennen als Zeichen eigener Progressivität die rassistischen Strukturen an, weil dies inzwischen „cool und woke“ sei. Bei uneinsichtigen Reaktionen („weiße Zerbrechlichkeit“) auf nichtweiße Vorhaltungen werden sie als „Schneeflocken“ bezeichnet, die bei heißer Kritik dahinschmelzen („mit einem Pfützchen zu kommunizieren, macht dann wenig Sinn“) oder werden bei ernsthaftem Bemühen, Amjahids Fünfzig-Punkte-Maßnahmenkatalog gerecht zu werden, als „Süßkartoffel“ verspottet/verhöhnt. „Weiße“ in seinem Freundeskreis schließt er ausdrücklich aus.

In diesem Schwarzweiß-Buch ist Amjahids tiefer Groll zu spüren, die Ablehnung weißen Menschen gegenüber, ihren Lebensgewohnheiten und Strukturen. „Der weiße Fleck“ transportiert Desintegration und ist insgesamt ein im klassischen Sinne rassistisches „Antirassismus-Buch“. 

Mohamed Amjahid: Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken. Piper Verlag, München 2021, broschiert, 224 Seiten, 16 Euro

Foto: Mohamed Amjahid: Für erlebte Diskriminierung sollten Migranten eine Art von „Reparation“ erhalten“