© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/21 / 09. Juli 2021

Kabinenklatsch
Keine Begeisterung mehr
Ronald Berthold

Irgendwie ist alles so gedämpft. Es steht zwar noch das Endspiel an. Aber so richtig fasziniert die Europameisterschaft niemanden. Es hat sich eine Gleichgültigkeit breitgemacht, die neu ist. Früher fieberte Deutschland – auch der Nicht-Fußballfan – mit, wenn ein Turnier lief. Und diesmal? Selbst das Aus der eigenen Nationalelf nahmen die meisten achselzuckend zur Kenntnis. Ich will jetzt nicht wieder auf Regenbogen-Wahn und Kniefällen für „Black Lives Matter“ herumreiten. Sicher hat die Politisierung die einen abgestoßen und bei Wohlmeinenden einen Überdruß erzeugt. Den Sport in den Hinter- und den gesellschaftlichen Aktivismus in den Vordergrund zu rücken, ist aber nur ein Sargnagel der Fußballbegeisterung.

Toni Kroos ist zurückgetreten, Ilkay Gündogan spielt mit dem gleichen Gedanken. Der Bundestrainer geht nach 15 Jahren. Aber wo bleibt die früher übliche leidenschaftliche Debatte? Alles plätschert nur dahin. Der Verband und die Mannschaft haben sich auch vom Volk entfernt, weil es seit Jahren blutleere Auftritte gibt. Nicht nur auf dem Rasen. Die Spieler sind austauschbar. Es fehlen Persönlichkeiten, an denen sich die Fans reiben können. Alle O-Töne in den sozialen Netzwerken sind von PR-Beratern abgeschliffen oder sogar geschrieben. Die Interviews nach den Spielen sind das Ergebnis von Medientrainings. Jeder weiß vorher, was die Spieler sagen werden.

Es fehlt auf dem Platz und daneben das Überraschende. Für die einzige Überraschung sorgte Jogi Löw, als er sagte, es tue ihm leid, die Begeisterung in Deutschland mit dem Ausscheiden abgewürgt zu haben. Welche Begeisterung? Der Satz ist eher ein Beleg dafür, wie weit der DFB von den Anhängern weg ist.