© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Verfassungsrichter zu Besuch bei Merkel
Mauschelige Kungeleien
Paul Rosen

Man stelle sich vor, der Direktor eines Amtsgerichts besucht den Bürgermeister und die beiden speisen am Abend in lockerer Runde zusammen. Einige Tage später soll der Richter über das Schicksal des Führerscheins des Bürgermeisters entscheiden, weil dieser das eine oder andere Glas zu viel getrunken hatte. Ein örtlicher Justizskandal wäre komplett.

Aber was ist, wenn Bundesverfassungsrichter sich auf Berlin-Besuch begeben, mit Kanzlerin Angela Merkel zu Abend essen und einige Zeit später in einem Verfahren über Merkels Verhalten entscheiden sollen? 

Konkret geht es um den Aufruf der Kanzlerin von Südafrika aus, daß die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen „rückgängig gemacht werden muß“. 

Merkel wurde deshalb verklagt – wegen Verletzung des Neutralitätsgebots von Regierungsmitgliedern. Die mündliche Verhandlung in Karlsruhe ist für den kommenden Mittwoch angesetzt. Dies ist keines der üblichen Verfahren wegen Euro- oder Grundrechteaufweichung. Hier geht es um persönliches (Fehl-)Verhalten der Bundeskanzlerin. Das Gericht hätte die Einladung zum Abendessen vor diesem Hintergrund erst gar nicht annehmen dürfen. Und Merkel hätte nicht einladen dürfen.

Aber so bleibt im Volk der Eindruck hängen, daß „die da oben“ ohnehin immer zusammenhocken und zusammenhalten.