© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Gleich ist aber Zapfenstreich
Bundeswehr: Die Kritik am Umgang mit den aus Afghanistan heimgekehrten Soldaten reißt nicht ab / Verteidigungsministerin muß klein beigeben
Peter Freitag

Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr war beendet, da ging die Debatte um einen würdigen Abschluß noch weiter. Die „stille Ankunft“ des letzten Kontingents, das kurze und weitgehend schmucklose Antreten der Soldaten auf dem Fliegerhorst Wunstorf, ohne Öffentlichkeit, ohne politische Verantwortungsträger – das alles sorgte für erheblichen Unmut (JF 28/21). „Die Politik hat bei der Begrüßung der letzten Afghanistan-Rückkehrer in der Heimat so gut wie alles falsch gemacht“, kritisierte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, gegenüber der Funke-Mediengruppe. 

Was offenbar besonders viele Soldaten aufbringt, ist die offizielle Begründung des Bundesverteidigungsministeriums: Angeblich hätten die Afghanistan-Rückkehrer selbst den Verzicht auf eine größere Zeremonie geäußert. Das sei Blödsinn, heißt es in Kreisen der Rückkehrer, man sei überhaupt nicht gefragt worden. In der Truppe wird vielmehr der Verdacht geäußert, die Verteidigungsministerin habe sich den Verweis auf die angeblichen Soldaten-Wünsche bloß als Ausrede erdacht, um die so nicht erwarteten negativen Kommentare in vielen Medien abzufangen. 

Abgeordnete – auch solche aus der Koalition –, die in den vergangenen Tagen mit Protest-Mails und wütenden Äußerungen aus der Bevölkerung eingedeckt wurden, haben noch einen ganz anderen Verdacht. Ministerin Kramp-Karrenbauer (CDU) habe die Mitglieder des Verteidigungsausschusses ganz bewußt nicht beziehungsweise nur äußerst kurzfristig von der bevorstehenden Landung der Militärtransporter unterrichtet, da sie selbst wegen ihrer Amerika-Reise nicht vor Ort sein konnte. Aus Sorge, andere könnten ihr – der Wahlkampf steht vor der Tür – die Schau stehlen. Nach dem Motto: Wenn ich die Soldaten nicht in Empfang nehmen kann, dann soll es auch niemand anders tun. Aus dem Ministerium kommt derweil noch eine weitere Version: Ein feierlicher Empfang in Wunstorf wäre ungerecht gegenüber denen aus dem Kontingent gewesen, die schon mit früheren Flügen in die Heimat zurückkehrten. 

Offiziell geplant war zunächst am 31. August ein Appell der Bundeswehr zum Thema „20 Jahre Afghanistan“ am Sitz des Verteidigungsministeriums im Berliner Bendlerblock. Soldatenvertretern mißfiel die Wahl des Ortes. Früh schon forderte der Bund Deutscher Einsatz-Veteranen eine Verlegung auf die Wiese vor dem Reichstag. Es gehe darum, daß die Politik „ein Zeichen der Wertschätzung an die Soldaten und in die Gesellschaft hinein“ sende, so der Verbandsvorsitzende Bernhard Drescher gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zudem fasse der Platz zwischen Ministerium und dem Ehrenmal der Bundeswehr zu wenige Besucher. Unterstützung kam vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union, Johann Wadephul, der verteidigungspolitischen Sprecherin der SPD, Siemtje Möller, und ihrem grünen Kollegen Tobias Lindner, die sich für einen Appell vor dem Reichstag aussprachen. 

Ministerin Kramp-Karrenbauer verteidigte indes eine Feier auf eigenem Gelände: „Wir gehen zur Bundeswehr, um uns bei den Soldatinnen und Soldaten zu bedanken, und nicht die Bundeswehr zum Parlament.“ Bundeswehrverbandschef Wüstner forderte daraufhin ein Machtwort der Kanzlerin. Offenbar mit Erfolg. Heraus kam am Dienstag nun ein typischer Kompromiß: erst Appell und Kranzniederlegung im Bendlerblock – im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Eingeladen würden zudem Soldaten mit ihren Familienmitgliedern und Hinterbliebene von Gefallenen. Anschließend dann ein Großer Zapfenstreich – vor dem Reichstag.