© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Erkenntnis der Woche
Hybrid mal anders
Christian Vollradt

Begegnet uns auf der Straße heutzutage ein Hybrid, so ist damit mittlerweile nicht mehr eine Promenadenmischung à la Nachbars Lumpi (Mutter Dackel, Vater unbekannt), sondern ein – gern etwas teureres – Kraftfahrzeug mit zwei Motoren gemeint. Unter der Haube steckt dann ein Verbrenner, im Heck zusätzlich ein Akku für den Batteriebetrieb. Während das viertaktige Benzin-Luftgemisch also für streßfreien Vortrieb über Reichweiten jenseits der Eben-mal-Gassi-gehen-Zone sorgt, bedient der Stromer das leise Anfahren – und vor allem das gute Gewissen desjenigen am Volant. Jedenfalls handelt es sich in aller Regel um ein einziges Fahrzeug. Zumindest bei Ottilie Normalverbraucherin. Anders sieht es offenbar zuweilen in der Politik aus. So sorgte Brandenburgs grüne Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher für Schlagzeilen, als ruchbar wurde, daß sie ihren im März noch stolz der Öffentlichkeit präsentierten vollelektrischen Dienstwagen bereits einen Monat später klammheimlich für eine längere Strecke gegen den Verbrenner ihres Staatssekretärs tauschte. Und das, obwohl laut Gesetz Dienstwagen personengebunden sind. Nachdem die Linksfraktion in Potsdam Einsicht in die Fahrtenbücher verlangt hatte, kam heraus, daß sich die Ministerin und ihr Stellvertreter über diese Richtlinie hinweggesetzt haben, berichtet die Zeitung B.Z. Als Grund gab ein Sprecher an: Es hätten „Erfahrungswerte bei der Nutzung des neuen E-Autos auf längeren Strecken“ gefehlt. Nonnemachers Audi e-tron komme mit vollem Akku 350 Kilometer weit, die fragliche Distanz habe 230 bis 270 Kilometer betragen. Die Nutzung des Benziners sei somit „im Interesse des Landes notwendig“ gewesen. Wir lernen: Ein grüner Dienst-Hybrid besteht also aus zwei Autos, einem für die politische PR und einem zum Fahren. Aber Hybrid kommt ja auch vom griechischen hybris, zu deutsch: Anmaßung.