© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Verdrängte Stammesfehden
Südafrika: Plünderungen und Gewalttaten erschüttern das Land am Kap der Guten Hoffnung
Josef Hämmerling

Montag abend wandte sich Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden an die Nation, nachdem Plünderungen und Unruhen die  Provinzen KwaZulu-Natal (KZN) und Gauteng  sowie die Städte Johannesburg und Durban erschüttert hatten. „In den letzten Tagen und Nächten hat es Gewalttaten gegeben, wie sie in der Geschichte unserer Demokratie selten vorkommen. Eigentum wurde vandalisiert und zerstört. Geschäfte wurden geplündert. Gesetzestreue Bürger wurden bedroht und eingeschüchtert. Arbeiter haben Angst, daß sie nicht zur Arbeit zurückkehren können. Menschen sind gestorben“, erklärte der ANC-Vorsitzende. 

Das Chaos begann mit Demonstrationen für die Freilassung des am vergangen Donnerstag inhaftierten ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma in KZN, die aber bald in Plünderungen übergingen, die sich dann ausbreiteten. 

In Johannesburg standen die sogenannten Hostels im Zentrum der Gewalt. Dies sind Wohnheime für Wanderarbeiter aus der Provinz KwaZulu/Natal, von denen schon seit Jahrzehnten regelmäßig Gewalt ausgeht. Die Polizei wagt sich höchstens mit Unterstützung der Armee in diese Hostels, deren Bewohner teilweise auch mit automatischen Gewehren bewaffnet sind. Und so waren es dann auch stark bewaffnete Horden, die am Wochenende und auch am Montag plündernd durch die Johannesburger Geschäftsviertel zogen, so daß sich Ramaphosa gezwungen sah, die Armee in diese Teile des Landes zu schicken. 

Gleichzeitig sprach er davon, daß es „einigen Leuten“ gelungen sei, die Gewalt entlang „ethnischer Linien“ anzuheizen. Doch die Mehrheit des südafrikanischen Volkes lehne es ab, sich auf diese Weise mobilisieren zu lassen“, so der 68jährige. „Was wir jetzt erleben, sind opportunistische kriminelle Handlungen, mit Gruppen von Menschen, die das Chaos nur als Deckmantel für Plünderungen und Diebstähle anfachen.“ 

Dagegen legte die Vorsitzende des Parteirates der oppositionellen Democratic Alliance, Helen Zille, gegenüber News24 den Finger auf die Wunde: „Im Kern wurzelt diese Tragödie in der enormen Komplexität unserer kollektiven Entscheidung, einer weitgehend traditionellen afrikanischen Feudalgesellschaft eine moderne konstitutionelle Demokratie aufzuzwingen.“ Die Regierungspartei ANC ignoriere das nach wie vor in weiten Teilen Südafrikas vorhandene Stammesdenken, da sie sonst ihr Versagen beim Zusammenwachsen der ethnischen Zugehörigkeiten eingestehen müsse. 

Während Zuma den Zulus angehört, waren seine Vorgänger Nelson Mandela und Thabo Mbeki Xhosa. Ramaphosa gehört den Venda an, die wiederum von den Xhosa gestützt werden.