© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Grüße aus … Santiago de Cuba
Der Protest erwacht
Alessandra Garcia

Das wichtigste Sprachrohr der kommunistischen Partei auf Kuba trägt den Namen „Granma“. Die Tageszeitung, die nach der Jacht benannt ist, mit der Fidel Castro 1956 auf dem Inselstaat anlegte, ist zwar nicht das einzige kubanische Blatt, aber das wichtigste. Aus dieser „alten Dame“ unter den Zeitungen Nuancen herauslesen zu können, bedarf es aber eines jahre-, wenn nicht jahrzehntelangen Studiums der Parteisprache. Aber ganz ehrlich: Dafür ist mir meine Zeit zu schade. Und außerdem gibt es ja auch noch den Buschfunk, der das Wichtigste komprimiert von Mund zu Mund fliegen läßt.

Unlängst habe ich meinem Nachbarn aber doch die Granma aus der Hand genommen. Denn auf der letzten Seite glaubte ich auf einem Schwarz-Weiß-Foto eine mir bekannte Person entdeckt zu haben. Tatsächlich, die KP-Zeitung hat den 2017 verstorbenen deutschen Journalisten Udo Ulfkotte quasi aus dem Jenseits geholt und zum Kronzeugen erhoben. Konkret geht es um Ulfkottes 2014 erschienenes Buch „Gekaufte Journalisten“, das die USA, die Nato und die Geheimdienste letztlich so gegen ihn aufgebracht habe, so stellt es die Granma dar, daß der Autor nach mehreren Morddrohungen und Wohnungsdurchsuchungen durch die Sicherheitskräfte schließlich einem Herzinfarkt erlag.

Die Zeitung mahnt das Volk zur Vorsicht vor Journalisten, die Kubas Mißstände in ausländische Medien tragen. 

Journalismus in den Leitmedien der USA und Europas funktioniert laut der Granma folgendermaßen: „Sie gehen nicht zu dir und sagen: Wir sind die CIA, willst du für uns arbeiten? Nein, sie laden dich in die Vereinigten Staaten ein, bezahlen dir alle Ausgaben und du wirst zunehmend korrupt.“ Journalisten würden im Westen nicht nur mit Geld gekauft, sondern auch mit finanzierten Reisen, Interviews, Auszeichnungen und Einladungen zu Veranstaltungen, bei denen sie sich wichtig fühlen könnten. Deshalb mahnt die Zeitung das Volk zur Vorsicht vor all jenen Journalisten wie Kunstschaffenden, die Kubas Mißstände in ausländische Medien tragen. 

Besagte würden für ihre „Rebellion“, „Unabhängigkeit“ und „Objektivität“ jenseits des Landes gefeiert und in der Ansicht bestärkt, in Anlehnung an den tschechischen Kommunismus-Gegner, der „kubanische Václav Havel“ zu sein. Tatsächlich seien sie aber Teil einer Medienkriegsmaschine, die insbesondere von den USA finanziert werde, um dem Inselstaat zu schaden. Ich blättere weiter nach vorn, wo die Erfolge unserer Landwirtschaft gefeiert werden und ein Kolchosvorsitzender einem Parteifunktionär zwei Hände voll Reis entgegenstreckt. So bekomme ich wenigstens mal wieder dieses Grundnahrungsmittel zu Gesicht. Aus den Geschäften ist es schon längst verschwunden. Kein Wunder also, daß es aufgrund des Mangels an Lebensmitteln und Medikamenten nun zu Unruhen kommt.