© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Die Wirtschaftsorganisation OECD verlangt höhere Erbschaftsteuern
Eigentum ist keine Leihgabe
Ulrich van Suntum

Vermögen im Wert von ungefähr 400 Milliarden Euro wird jährlich in Deutschland vererbt. Das weckt Begehrlichkeiten beim Staat, der bislang etwa 8,6 Milliarden Euro an Erbschaftsteuer davon abschöpft. Das ist nur etwa ein Prozent des gesamten Steueraufkommens – zu wenig, findet auch die westliche Wirtschaftsorganisation OECD. Die Erbschaftsteuer sei besonders gerecht und effizient. Erben sei leistungsloses Einkommen, das die ungleiche Vermögensverteilung zementiere. Anders als beim laufenden Einkommen führe seine Besteuerung auch nicht zu negativen Leistungsanreizen. Diese Argumente beeindrucken sogar manche Marktwirtschaftler. Selbst der Urliberale John Stuart Mill sprach sich für eine radikale Erbschaftsteuer aus.

Das war allerdings im 19. Jahrhundert, als es noch keine nennenswerte Einkommensteuer gab. Die heutigen Erbschaften stammen dagegen meist aus schon versteuertem Einkommen. Hätte der Erblasser sein Vermögen verpraßt, wäre keine Steuer angefallen. Wieso soll das anders sein, wenn er stattdessen der nächsten Generation etwas hinterläßt? Eigentum ist schließlich keine Leihgabe des Staates, die nach dem Tod wieder an diesen zurückfallen würde. Es ist vielmehr ein Grundrecht, das außerdem die wichtige Funktion der volkswirtschaftlichen Kapitalbildung erfüllt. Andernfalls müßten Familienunternehmen immer wieder neu aufgebaut werden, wenn der Eigentümer verstorben ist – eine absurde Vorstellung, die zum Ruin der mittelständisch geprägten deutschen Volkswirtschaft führen würde.

Für kleinere Firmen gibt es daher zahlreiche Ausnahmen, was aber Bürokratie, Rechtsstreit und neue Ungerechtigkeiten mit sich bringt. Ohnehin zieht die Erbschaftsteuer einen Rattenschwanz von Regelungsbedarf nach sich. So braucht man die Schenkungssteuer, um eine Erbschaftsteuerumgehung durch vorzeitige Vermögensübertragung zu verhindern. Für Stiftungen gibt es sogar eine alle 30 Jahre fällige „Erbersatzsteuer“, angeblich um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

Kleinere Privatvermögen und das geerbte Einfamilienhaus sind von der Erbschaftsteuer faktisch befreit – obwohl es sich dabei ebenfalls um „nicht selbst verdiente Vermögenszuwächse“ handelt. Der Grund ihrer Begünstigung liegt auf der Hand: Man will einen Aufstand der Bürger vermeiden. Denn sonst würden auch die kleinen Leute merken, wie ungerecht eine nochmalige Besteuerung des von ihren Eltern mühsam erarbeiteten Erbes ist. Also werden sie nach bewährtem Muster ruhiggestellt: Eine höhere Erbschaftsteuer betreffe ja nur die wirklich Reichen. Etwas boshaft könnte man das als Linkspopulismus bezeichnen.

Die beste Lösung wäre darum eine vollständige Abschaffung der Erbschaftsteuer, allerdings bei gleichzeitiger Änderung des Erbrechtes. Derzeit fällt nämlich um so weniger Erbschaftsteuer an, je näher das Verwandtschaftsverhältnis ist, und es gibt sogar einen Pflichtanteil für Kinder – wieso eigentlich, wenn es sich doch um nicht selbst verdientes Vermögen handelt? Stattdessen sollte der Erblasser frei und ohne Extra-Steuer bestimmen können, wem er sein Vermögen schenkt oder hinterläßt. Dann bliebe dieses voll erhalten, und es würden nur solche Menschen begünstigt, die es nach Einschätzung des Vermögensschaffers wirklich verdient haben.






Prof. Dr. Ulrich van Suntum lehrte bis 2020 VWL an der Wilhelms-Universität Münster.