© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Mit der juristischen Keule
Energiepolitik: Abmahnverein verklagt Bayern, Brandenburg und NRW wegen „Klimaschutz“
Marc Schmidt

Seit mehr als 120 Jahre setzen sich Vereine für den Schutz von Flora und Fauna ein. Der Naturschutzbund (Nabu) führt seine Ursprünge beispielsweise auf den 1899 von Lina Hähnle in Stuttgart gegründeten Bund für Vogelschutz zurück. Der Nabu hat heute über 700.000 Mitglieder. Sein 38-Millionen-Etat fließt überwiegend in die Naturschutz- und Bildungsarbeit. Die wenigen hundert Mitglieder der 1975 gegründeten Deutschen Umwelthilfe (DUH) tragen nicht alljährlich Kröten über die Straße. Sie betreiben keine Pflegestationen für Vögel, denn die DUH „ist ein klassischer Abmahnverein“, der die deutsche Autoindustrie schwächen wolle, wie NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) 2018 ohne juristische Konsequenzen in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung befand.

Damals ging es um die Diesel-Fahrverbote in Großstädten, die die DUH durch ihre Klagen erstritten hatte. Der Toyota-Konzern, der auf Benzin-Hybride statt auf Turbodiesel setzt, sponsert die DUH seit 2019 nicht mehr, aber das Feindbild Auto bleibt. Und das umstrittene „Klimaschutzurteil“ des Bundesverfassungsgerichts (BVerG; 1 BvR 2656/18, Rn. 1-270) vom April liefert eine weitere Steilvorlage. Am 2. Juli reichte die DUH zusammen mit vier Schülern und Studenten Verfassungsbeschwerde gegen das NRW-Klimaschutzgesetz ein. „Gerade auf Landesebene sieht es in Sachen Klimaschutz noch deutlich schlechter aus als auf Bundesebene“, behauptete der renommierte DUH-Anwalt Remo Klinger.

„In NRW fallen fast 30 Prozent des deutschen CO2 an“, glaubt der mitklagende Bonner Jurastudent Jannis Krüßmann. Das Gesetz sei ein Rückschritt, er hoffe, daß „sich die Gerichte dem Druck der Zivilgesellschaft auf die Politik anschließen“. Daß sich Krüßmann 2019 bei den Schulschwänzern von „Fridays for Future“ (FFF) in Konstanz engagierte und die Stadt nur 20 Kilometer von Radolfzell am Bodensee, der DUH-Gründungsstadt, entfernt liegt, mag Zufall sein. Doch auch die 17 weiteren Kläger sind bewußt ausgewählt.

So ist einer der bayrischen Beschwerdeführer, David Schiepek, ein 19jähriger Pädagogikstudent und Grünen-Stadtrat der mittelfränkischen Kreisstadt Dinkelsbühl. Die 16jährige Emma Johanna Kiehm, Beschwerdeführerin aus Brandenburg, Schülerin der privaten Montessori-Oberschule in Neuruppin und seit 2019 FFF-Aktivistin, ließ sich beim „fünften globalen Klimastreik“ im April 2020 mit zwei Jungen von der Lokalpresse vor einem roten Transparent fotografieren, auf dem die Greta-Thunberg-Parole stand: „Our house is on fire“.

Daß die DUH mit spitzfindigen Abmahnungen von Autohäusern, Handwerkern oder Einzelhändlern einen Millionenumsatz erzielt, ist bekannt. Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht darin keinen Rechtsmißbrauch (Az. I ZR 149/18). Auch daß kleine private Vermieter wegen eines fehlenden „Energieausweises“ mit etwa 240 Euro zur Kasse gebeten werden, dürfte juristisch korrekt sein – daß nach abgegebener Unterlassungserklärung im Wiederholungsfall eine vierstellige Vertragsstrafe droht, ist deutsche Rechtspraxis.

Wunschzettel von Firmen aus dem Sektor „erneuerbare Energien“

Doch was „verdient“ die DUH an ihren „Klimaklagen“? Zunächst nichts, doch Klinger deutete in der Süddeutschen Zeitung an, wie sich eine Verbesserung der Gesetze erzielen ließe: durch ein Tempolimit, den Ausbau des ÖPNV oder eine Solardach-Pflicht. DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner wird konkreter: „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien stockt gerade in Bayern und Nordrhein-Westfalen massiv. Grund dafür sind die unsinnigen Abstandsregeln, die die beiden Landesregierungen festgelegt haben.“ Das klingt wie eine Grünen-Forderung – oder wie der Bundesverband Windenergie und der Wunschzettel von Firmen aus dem Bereich „erneuerbare Energien“.

Ein reformiertes NRW-Klimaschutzgesetz könnte die Umsätze von Windkraft-Investoren und Photovoltaik-Installateuren steigen lassen – die Rechnung zahlt der Stromkunde. Barbara Metz, stellvertretende DUH-Geschäftsführerin, mahnt eine „Sanierungsoffensive der Bestandsgebäude“ an – sprich teure Wärmedämmung und neue Fenster. Daher spricht einiges dafür, daß eine Spende an die DUH für die Bahn-, Bus-, Dämm-, Fenster-, Wind- und Solarbranche gut angelegtes Geld ist. Wer die DUH-Großspender genau sind, ist der Öffentlichkeit bislang nicht bekannt, aber es werden einzelnen Unternehmen der Ökoindustrie nicht nur geschäftliche, sondern auch persönliche Kontakte zur DUH nachgesagt.

Doch die „Klimaklagen“ dienen sicher nicht nur der Reichweitengewinnung auf dem umkämpften Spendenmarkt der grünen Lobbyindustrie. Die Berliner Kanzlei Geulen & Klinger von DUH-Anwalt Klinger entstand 1999 aus der Sozietät Schily, Becker & Geulen. Einer der Namensgeber war Otto Schily, Grünen-Mitgründer und von 1998 bis 2005 Bundesinnenminister der SPD. Reiner Geulen verteidigte die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin zusammen mit Schily bis 1977 im ersten Stammheimprozeß. Später machte sich Geulen allerdings bei diversen Prozessen gegen AKWs und Kohlekraftwerke einen Namen.

Daß sich die DUH exemplarisch drei Bundesländer herausgesucht hat, dürfte auch kein Zufall: NRW ist schwarz-gelb regiert, Ministerpräsident Armin Laschet ist CDU-Kanzlerkandidat. Die bayerische „Klimaklage“ kratzt am „Öko-Image“ von Markus Söder und seiner CSU. In Brandenburg treten in der Landeshauptstadt Potsdam Olaf Scholz und Annalena Baerbock gegeneinander als Direktkandidaten an. Doch in der dortigen Kenia-Koalition werden die Grünen als kleinster Partner von SPD und CDU „ausgebremst“ – eine erfolgreiche DUH-Klimaklage könnte grüne Vorstellungen mit der juristischen Keule doch noch durchsetzen.

Fahrverbote und Straßensperrungen, Solardachzwang, teure neue Heizungen, Aufhebung der Abstandsgebote zu Wohnsiedlungen für Windräder? All das ist für viele ein Graus – und eine parlamentarische Mehrheit dafür ist in den drei Flächenländern nicht in Sicht. Daher wäre es für die DUH-Förderer am besten, die Gerichte würden die jeweiligen Bundesländer indirekt dazu zwingen. Und selbst eine schwarz-gelbe Mehrheit könnte daran nichts mehr ändern.


 www.duh.de