© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Ein Bewußtsein von Exklusivität
Wie globale Netzwerke politischen und wirtschaftlichen Einfluß steuern und Macht ausüben
Thorsten Hinz

Es ist an der Zeit, die Diskussion, die sich an der Grünen Annalena Baerbock entzündet hat, von der Person abzulösen und stattdessen das strukturelle Problem zu thematisieren, das durch die mißglückte Kanzlerkandidatur sichtbar geworden ist: die Art und Weise der Elitenrekrutierung und ihr Einfluß auf die politische Willensbildung. Baerbock ist Absolventin des „Young Global Leaders“-Programms des von Klaus Schwab geleiteten Weltwirtschaftsforums mit Sitz in Genf. Ein Foto, das sie auf Instagram präsentierte, zeigte sie zudem mit dem US-amerikanischen Milliardär George Soros, dem Gründer der Open Society Foundations.

Wer solche Verbindungen hinterfragt, zieht umgehend den Vorwurf auf sich, er verbreite Verschwörungstheorien und bewege sich im Schmutzwasser des Antisemitismus. Diese Begriffe sind zuverlässige Diskursblocker, denn sie verbannen die nötigen Nachfragen in den Bereich des Unaussprechlichen. Nötig sind die Nachfragen aber zweifellos, denn über die Rekrutierung seiner Führungspersönlichkeiten wird Einfluß und letztlich Macht ausgeübt. Diese Macht gilt es zu kontrollieren. Voraussetzung dafür ist Transparenz, die zudem am besten geeignet ist, die Wahrheit von den Verschwörungstheorien zu sondern. Dazu braucht es nicht einmal investigativen Scharfsinn. Es genügt, die Selbstdarstellungen der Foren, Stiftungen und Unterorganisationen und die Äußerungen ihrer Repräsentanten nachzulesen.

„Weltweit herausragende Leader der nächsten Generation“

Es gibt in der Bundesrepublik eine ganze Reihe von Yong-Leader-Programmen. Sie werden unter anderem von der Atlantik-Brücke und deren Schwesterorganisation American Council on Germany aufgelegt. Zudem gibt es die „Munich Young Leaders“, ein gemeinsames Projekt der Körberstiftung und der Münchner Sicherheitskonferenz. Die Auswahl erfolgt unter der Maßgabe der transatlantischen und Nato-Interessen.

Das Programm der Young Global Leaders ist global angelegt. Die neuen Teilnehmer werden jedes Jahr vom Weltwirtschaftsforum ernannt, das alljährlich eine Tagung in Davos abhält, bei der sich Politiker, Vertreter der Wirtschaft und NGOs treffen. Globale Großkonzerne wie Google, Blackrock, Goldman Sachs, Chevron oder Saudi Aramco – die derzeit die größte Erdölfördergesellschaft der Welt mit Unternehmenssitz im saudi-arabischen Dhahran – gehören zu den „strategischen Partnern“, zu den „Assoziierten“ und „Forum Members“, die das Forum jährlich mit hohen Millionenbeträgen finanzieren. Auch das Soros-Fund-Management ist mir von der Partie.

Die Young Global Leaders bilden laut Selbstdarstellung eine „einzigartige Community“, die sich aus „den weltweit herausragendsten Leadern der nächsten Generation“ konstituiert. Sie dürfen zum Zeitpunkt der „Einschulung“ nicht älter als 40 Jahre und sollen „mutig, tapfer, handlungsorientiert“ sein. Jedes Jahr wählt eine Jury eine neue Klasse aus, die an dem Programm und dazugehörigen Treffen und Initiativen teilnimmt. Neben Politikern gehören dazu Vertreter aus der Wirtschaft und dem Versicherungswesen, Juristen, Journalisten sowie Angehörige des Kultur- und Kunstbereichs. 2016 gehörten der US-Schauspieler Ashton Kutcher sowie Amal Clooney, Ehefrau des Hollywood-Stars George Clooney, die als Menschenrechtsanwältin tätig ist, zu den Teilnehmern. Auch der damalige französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron und der CDU-Politiker Jens Spahn standen auf der Liste.

Die Soros-Stiftungen müssen nicht kleckern, sie können klotzen

Das Hauptprogramm der Konferenzen besteht aus drei Komponenten. Den Teilnehmern wird die Bekanntschaft mit einflußreichen Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und NGOs vermittelt. Zweitens erfolgt eine Besichtigungstour, die sie in Regierungsinstitutionen, Botschaften und Internationale Organisationen, aber auch kulturelle Sehenswürdigkeiten und Bildungseinrichtungen führt. Schließlich werden Sitzungen des UN-Sicherheitsrates und der UN-Generalversammlung simuliert. Es geht um mehr als um eine – im technischen Sinne – transnationale Vernetzung. Die Teilnehmer werden konditioniert. Es wird ihnen ein Bewußtsein von Exklusivität, Auserwähltheit, von Teilhabe an einem Arkanwissen vermittelt. Es handelt sich um ein transnationales Elitenbewußtsein, das auf einem globalistischen Ethos beruht. Man kann sich leicht vorstellen, daß diese Konditionierung bei deutschen Teilnehmern, die Nationalgefühl und das nationale Interesse von vornherein negativ interpretieren, in besonderer Weise verfängt. Bei Annalena Baerbock hat das Elitebewußtsein sich bis zum Realitätsverlust und zur Anwandlung von Größenwahn gesteigert.

Das Führungsteam der Open Society Foundations ist in über 120 Ländern auf der ganzen Welt tätig – nach eigenen Angaben, um die Werte Gerechtigkeit, Demokratie und Menschenrechte zu fördern. Und zwar durch Unterstützung zivilgesellschaftlicher Gruppen. Die Aktivitäten erstrecken sich auf das Medien-, Bildungs- und Gesundheitswesen, auf die Kunst- und Kulturszene. Es geht um eine langfristig angelegte geistig-kulturelle Hegemonie.

Eine falsch verbuchte Parteispende von ein paar tausend Euro kann eine Partei oder einen Kandidaten in Teufels Küche bringen. Die Open Society Foundations hingegen müssen nicht kleckern, sie können klotzen, denn ihr Vermögen beträgt knapp 20 Milliarden Dollar. Die Nähe zu den staatlichen Mächten äußert sich auch räumlich. Wikipedia weiß: „Die nationalen Abteilungen sind namens-ähnlich mit zentralen staatlichen Einrichtungen und werden bewußt in deren Nähe plaziert und wenn die Möglichkeit besteht, direkt in Regierungs- oder Verwaltungsgebäude eingemietet. Die Nähe sichert Informationsvorsprung bei der Beobachtung und Beeinflussung neuer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strömungen.“ Es handelt sich um eine unkontrollierte Macht, die am Demos und vorbei an den demokratisch befugten Institutionen und Prozeduren ausgeübt wird. Zur Legitimation genügt die Versicherung ihres reinen philanthropischen Anliegens.

Dahinter steht aber eine klare politische Agenda, in der die Transformation der westlichen Länder in multitribale Gesellschaften eine zentrale Rolle spielt. So gehört zu den Open Society Foundations die International Migration Initiative, die seit 2014 auf regionaler und internationaler Ebene tätig ist, um die Rechte von Migranten stärker zu schützen. Die Open Society Justice Initiative umfaßt ein Team von Anwälten, die in mehr als 60 strategischen Rechtsstreitigkeiten vor regionalen und UN-Menschenrechtsgerichten mitgewirkt haben, um Änderungen in der Rechtslage und Praxis zu erreichen. Wörtlich heißt es: „Unser Ziel ist es, Menschen und Gruppen zu stärken, die die Inklusion von Migranten und Flüchtlingen auf lokaler Ebene beschleunigen können ...“ Zu den vorgeschlagenen „innovativen Lösungen“ gehören das „Einbringen von Personen mit Migrations- und Flüchtlingshintergrund in die Stadtverwaltungen“ sowie die „Förderung von Willkommensbewegungen in Gemeinden und Universitäten“.

Wenn man das liest, wird einem ganz anders. Da regen wir uns über einzelne Fehlleistungen von Annalena Baerbock und anderen Politikern bis weit ins Unionslager hinein auf – dabei arbeiten sie bloß ein längst geschriebenes Drehbuch ab.

 www.younggloballeaders.org

 www.opensocietyfoundations.org