© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Alternative zu Twitter gestartet
„Marktplatz der Ideen“: Das Trump-Lager möchte mit Gettr eine eigene Online-Plattform ohne Zensur bieten
Amelie Amberg

Am 4. Juli, dem US-amerikanischen Unabhängigkeitstag, startete offiziell eine neue Social-Media-Plattform, die als Alternative zu den BigTech-Giganten dienen soll. Gettr.com steht für „Getting Together“ und will die „Cancel Culture“ bekämpfen, die Löschkultur. Laut eigenen Angaben widmet sich das Projekt der „Förderung des gesunden Menschenverstandes, der Verteidigung der freien Meinungsäußerung und der Schaffung eines echten Marktplatzes der Ideen“. Textbeiträge können maximal 777 Zeichen, Videos bis zu drei Minuten lang sein. Live-Übertragungen sind ebenfalls möglich.

Jason Miller, Trumps ehemaliger Sprecher, ist für die Online-Plattform verantwortlich. Der frühere Sprecher von Trumps Wahlkampfstab, Tim Murtaugh, fungiert als Berater für Entwicklung und Betrieb. Die Netzseite und die gleichnamige App sind eines der auffälligsten Projekte innerhalb des medientechnisch aufrüstenden Pro-MAGA-Lagers, das in der rechtskonservativen Szene als Reaktion auf zunehmende Zensur ein großes Wachstum aufweist (JF 2/21). Erste aktive Profile auf Gettr sind so neben ehemaligen Mitgliedern der Trump-Regierung unter anderem der TV-Kanal Newsmax. 

Finanziert wird die Plattform von einem Investoren-Konsortium und der Familienstiftung des im Exil lebenden chinesischen Milliardärs und Dissidenten Guo Wengui (auch bekannt als Miles Kwok), schreibt das US-Online-Magazin The Daily Beast. In einem Interview mit der Zeitung Politico betont Miller jedoch, daß Guo „keine formale Rolle“ bekleide. Die Technologie hinter Gettr soll allerdings von seiner Gruppe Guo Media stammen: Gettr hieß zuvor Getome und war im Mai in der Beta-Phase als Teil eines digitalen „G-ecosystem“ gestartet. Vergangenes Jahr hatte Guo mit Trumps Ex-Berater Steve Bannon ein chinesischsprachiges Mediennetzwerk gegründet. 

Nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump von Twitter und Facebook ausgeschlossen wurde, hatten er und sein Team in den vergangenen Monaten nach Alternativen gesucht, um sich mit der Basis auszutauschen und die eigene Online-Präsenz wiederherstellen zu können. Gettr erinnert dabei funktional und optisch an Twitter. Es wirbt zudem damit, daß Nutzer, solange sie beim Einrichten ihres Accounts denselben Benutzernamen verwenden, „Kopien ihrer Inhalte von Twitter zu Gettr importieren“ können. 

Ob der Social-Media-Newcomer eine echte Chance hat, sich gegen die etablierten Tech-Riesen durchzusetzen, erscheint schwierig. Laut Digitalmagazin t3n koordinieren sich bereits linke Internettrolle, um vermeintliche Sicherheitslücken zum Datenklau auszunutzen und um Gettr mit „Shitposts“ und Fake-Profilen zu fluten.