© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Frisch gepreßt

Koloniale Exotik. Nach den Ehrbegriffen seines Herkunftsmilieus war Stefan von Kotze (1869–1909) eine „gescheiterte Existenz“. Entsagte das Patenkind Otto von Bismarcks doch der ihm zugedachten Militärkarriere und wurde zum Weltenbummler, der in den Kolonien des Deutschen Reiches auf Abenteuersuche ging. Seinen Niederschlag fand dieses ruhelose Leben in einer Fülle von Artikeln und einigen Büchern, die er seit der Jahrhundertwende in rascher Folge publizierte. Sie machten ihn als humoristisch begabten Reiseschriftsteller bekannt, der vor allem jene Leserschaft bediente, die sich an kolonialer Exotik erfreute, wie sie ihnen von Kotze in seinen im Verlag von Theodor Fontanes Sohn erschienenen „Südsee-Erinnerungen“ aus der deutschen Kolonie Papua-Neuguinea bescherte. Ebenfalls bei Friedrich Fontane kamen „Ein afrikanischer Küstenbummel“ (1904) und „Reiseskizzen aus dem Orient“ (1908) heraus. Daß der Verfasser damit zu einem der „bedeutendsten deutschsprachigen Reiseschriftsteller“ aufgerückt sei, ist freilich nicht mehr als ein der Begeisterung für ihren Autor geschuldetes Subjektivurteil von Ralf Küttelwesch und Bernhard Knapstein, die aber ungeachtet dessen die erste, gründliche und unterhaltsame Biographie von Kotzes zu einem Zeitpunkt vorlegen, wo „Kolonialliteratur“ dem Generalverdacht des Rassismus ausgesetzt ist. (ob)

Ralf Küttelwesch, Bernhard Knapstein: Stefan von Kotze. Biographie. Verlag Factum Coloniae, Mittenwalde 2020, gebunden, 252 Seiten, Abbildungen, 23,80 Euro





Innerasien. Manchmal gleichen Reisebücher Seismographen, in denen lokale Veränderungen festgehalten werden, die sich später zu politischen Erschütterungen auswachsen werden. Auch Ludwig Witzani begegnete um die Jahrtausendwende auf seiner 8.000 Kilometer langen transasiatischen Reise von Karatschi nach Peking Entwicklungen, die inzwischen zu Weltproblemen geworden sind. In Pakistan trifft er in den Teehäusern von Lahore und Peschawar auf Moslems im Vorfeld einer tiefgreifenden Radikalisierung. Jenseits des Karakorum Highway, im uigurischen Kaschgar, erlebt er die Anfänge des kulturellen Kahlschlags, mit dem die chinesische Zentralregierung seitdem ihre Peripherien traktiert. Über die Seidenstraße und Westchina erreicht er die Weltkapitale Peking und wird Zeuge jener wirtschaftlichen Lockerung, deren entfesselte Kraft China inzwischen an die wirtschaftliche Weltspitze geführt hat. All dies unaufdringlich auf der Ebene des konkret Erlebten auszubreiten, macht das vorliegende Reisebuch zu einer lohnenden Lektüre. In ausführlichen Exkursen über die Paläste der Mogul, der Gandharakultur oder die Buddhagrotten auf der Seidenstraße kommen auch Liebhaber der Geschichte auf ihre Kosten. (ob)

Ludwig Witzani: Transasia. Von Karachi nach Beijing. (Weltreisen Band XIII). Epubli Verlag, Berlin 2021, broschiert, 452 Seiten, 15,99 Euro