© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/21 / 16. Juli 2021

Der Flaneur
Erlebnisse am Abend
Paul Meilitz

Die Eckkneipe hat seit ein paar Wochen die Rolläden wieder hochgezogen. Drinnen sitzt eine Handvoll Durchgeimpfter oder Leute mit Negativtest, draußen dürfen sich die Gäste mittlerweile frei verteilen. Gegen 18 Uhr endet die bis dahin herrschende Gemütlichkeit abrupt. Ohne Vorwarnung durchpflügen vier E-Roller die knapp zwei Meter breite Schneise auf dem Bürgersteig. Ein Flitzer gerät an den Abwehrreflex des gerade Biergläser balancierenden Wirts und kommt zu Fall, ohne Schaden zu nehmen. 

Sofort verwandeln sich die halbwüchsigen Nachwuchsraser mit Migrationshintergrund zu einer aggressiven Horde. Erst recht, als einige Gäste biodeutscher Abkunft energisch ein anderes Verhalten auf Gehwegen einfordern. Das Geschrei der pubertierenden Jungmachos kann auf die Formel „ihr Nazis“ reduziert werden. 

Wie aus dem Boden gestampft, tritt plötzlich ein kiezbekannter, geregelter Arbeit unverdächtiger Landsmann der E-Roller-Gang in den Ring. Der Wichtigtuer mit Stirnband und aufgepumpten Oberarmen übt sich gern in gespreiztem Wiegeschritt, um Entgegenkommenden Respekt abzunötigen. Zunächst scheint der selbsternannte Pate die Lage zu befrieden, denn seine Schützlinge drehen nach der nicht zu ihren Gunsten ausgegangenen interkulturellen Begegnung ab.

Die juristisch kundigen Migranten zeigen nicht nur den Wirt, sondern auch einen Polizisten an.

Wenn die Kneipenkundschaft nun glaubte, sich wieder ihrer Bierseligkeit zuwenden zu können, hatte sie die neuen Machtverhältnisse aber nicht verstanden. Keine fünf Minuten später rauscht der Junioren-Kampftrupp erneut heran. Diesmal aus anderer Richtung und diesmal aufmunitioniert. 

Den Gästen prasseln unter Schmährufen taubeneigroße Steine um die Ohren. Auch dem geduldigsten deutschen Michel reißt irgendwann der Faden, und Toleranz gegen integrationsresistente Steinewerfer kann nicht erst bei Ziegeln enden. 

Ein Streifenwagen erscheint, nimmt den Vorfall auf und fängt einen der Raser ein. Soweit so gut, oder besser nicht gut. Die juristisch offenbar auf höchstem Bildungsniveau befindlichen Kinder zeigen nicht nur den Wirt wegen Körperverletzung an („Bauchtritte“), sondern selbst einen Polizisten, der sich mit dem Täter kurzzeitig allein im Auto befand. 

Der Rechtstaat wird sich dem mit Sorgfalt widmen. Inzwischen jagt der Roller-Trupp wieder durchs Karree.