© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/21 / 23. Juli 2021

Possenspiel im Thüringer Landtag
Lieber schaden sie dem Land
Werner J. Patzelt

Unser demokratischer Parlamentarismus funktioniert nicht, wenn sich eine Minderheitsregierung wie die in Thüringen nicht wie eine solche verhalten will. Wenn sie also nicht bereit ist, für politisches Entgegenkommen einen Preis zu bezahlen. Daß die politische Konkurrenz diese Regierung überhaupt ins Amt gelangen ließ, ohne eigene Druckmittel in der Hand zu behalten, war ein grober politischer Fehler. Den macht es nicht kleiner, daß sich ein überforderter FDP-Politiker zuvor von der AfD über den Tisch ziehen ließ und dann nicht die Nervenstärke besaß, das ihm zugefallene Amt des Ministerpräsidenten als Chef einer völlig legitimen AMinderheitsregierung auszuüben.
Daß dann eine CDU-Kanzlerin auch noch die eigene Partei zwang, ausgerechnet eine Minderheitsregierung der Linkspartei herbeizuführen, war der nächste Sündenfall. Doch die Ursünde bestand darin, als CDU grundsätzlich jede Zusammenarbeit mit der AfD auszuschließen, also zum eigenen Nachteil ein verfassungsmäßig gar nicht vorgesehenes, zusätzliches Stimmenquorum einzuführen. Besser wäre es, einfach das zu tun, was man selbst als richtig erachtet, und dann zu sehen, wie sich die AfD zur selbstdefinierten Politik verhält. Solche Flexibilität gehört zwar zum Mehrwert von Parlamentarismus, wird von strategischen Flachdenkern aber nicht geschätzt. Lieber schaden sie dem Land.



Prof. Dr. Werner Patzelt ist emeritierter Ordinarius für Politikwissenschaft an der TU Dresden.