© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/21 / 23. Juli 2021

Verwirrung der Woche
Einfach so plakatiert
Christian Vollradt

Einen Wesselmann kennt jeder. Auch wenn nicht jeder, der ihn kennt, weiß, daß er so heißt. Denn der Wesselmann ist ein großformatiges Wahlplakat. Wesselmänner stehen schon jetzt oder demnächst wieder auf Plätzen oder am Straßenrand und werben für alle möglichen Parteien um Wählerstimmen. Der Name kommt von der gleichnamigen Wesselmann-Werbung GmbH aus Bochum-Wattenscheid, die seit rund 60 Jahren im Geschäft ist. Der Markenname ist also Gattungsbegriff geworden – so wie beim Tempo-Taschentuch, dem Tesafilm oder beim Jeep. Und auch wenn der Wahlkampf angeblich längst im Internet stattfindet, Agenturen und „Influencer“ den digtalen Raum beschnattern, wollen die Parteien auf die analoge Plattform schlechthin nicht verzichten: das Plakat. Und hier verkörpert der Wesselmann – immer genau 356 mal 252 Zentimeter, zusammengesetzt aus achtzehn einzelnen Bögen – quasi die Artillerie des Wahlkampfs: große Reichweite und mächtig viel Wumms. Eine eher ungewöhnliche Aktion brachte jetzt die CDU in Niedersachsen. Sie ließ im nun beginnenden Wahlkampf für die Kommunalvertretungen (am 12. September) und für den Bundestag (am 26. September) Wesselmänner mit dem Bild ihres Parteivorsitzenden Bernd Althusmann aufstellen. Was soll das? Denn der Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident in Hannover kandidiert weder als Bürgermeister noch für den Bundestag. Viel wahrscheinlicher ist es, daß Althusmann wieder Spitzenkandidat bei der nächsten Landtagswahl wird. Aber die findet erst im kommenden Jahr statt, so daß es für eine Plakatierung noch erheblich zu früh ist. Doch offenbar wollten die CDU-Parteistrategen genau das erreichen, spekuliert das Politikmagazin Rundblick Niedersachsen. Nach dem Motto: Nur ein Wesselmann, über den man spricht, ist ein guter Wesselmann.