© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/21 / 23. Juli 2021

Grüße aus Rom
Von der Leyen verzaubert
Paola Bernardi

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi ist nicht nur ein glänzender Gastgeber, er hat auch viel Phantasie. Diese Qualitäten stellte der einstige Banker, der sein Leben lang mit Millionen und Milliarden jonglierte, nun unter Beweis. Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jüngst nach Rom reiste, um Italien aus dem anscheinend unerschöpflichen Corona-Fonds mit dem größten Anteil in Höhe von 192 Milliarden Euro persönlich zu beglücken, lud Draghi sie aber nicht in den prunkvollen Palazzo Barberini, auch nicht auf das Kapitol oder den Quirinal, sondern an den wohl heiligsten Ort des italienischen Films, die Cinecittà ein.

Mit ihren traditionellen Filmstudios läßt die „Kinostadt“ große italienische Meisterwerke längst vergangener Zeiten wieder aufleben. Während das international bekannte Filmfestival in Venedig Jahr für Jahr auf Star-Ruhm setzt, konnte sich Rom bisher immer bequem zurücklehnen und das kurzlebige Spektakel auf dem Lido beobachten. Die italienische Hauptstadt ist auch heute noch Kulisse für dionysische, dralle, deftige oder dekadente Filme wie einst unter Federico Fellini und Pier Paolo Pasolini. Zudem lockt  die Filmstadt Cinecittà immer wieder internationale Regisseure an, vor allem aus den USA. Einer der großen bekennenden Fans unter ihnen ist Woody Allen.
Dieser hauseigene Kulissenzauber gehört zur römischen Filmwelt einfach dazu.


Die „Kinostadt“ wurde 1937 unter Italiens ehemaligem filmbegeisterten Ministerpräsidenten Benito Mussolini erbaut. Einst auf einer grünen Wiese angelegt, ist sie auch heute noch die größte Filmstadt Europas. Während in Hollywood Technik und Perfektion triumphieren, zelebriert man hier kunstvoll das laute italienische Leben mit Kulissen, die auffällig und bunt sind. Dieser hauseigene Kulissenzauber gehört zur römischen Filmwelt einfach dazu. Die Vorliebe der Italiener für große Opern und die Kunst als solche manifestiert sich hier überdeutlich.
In diesen aufgrund der Corona-Krise verlassenen Studios, in denen Fotos und Filmausschnitte an die glorreichen Tage von Federico Fellini, Vittorio De Sica oder Roberto Rossellini erinnern, wurde von der Leyen plötzlich sentimental. „La strada“ und „La dolce vita“, murmelte sie und schwelgte in Erinnerungen. Am Ende gab sie natürlich ihr klares „sì“ zu den Plänen der italienischen Regierung und deren Vorstellungen davon, wie nach der Pandemie nun mit den EU-Milliarden ein Neuanfang im Lande aussehen soll. Ein äußerst geschicktes Manöver von Draghi. Sogar die italienische Presse lobte dessen „kluge und intelligente“ Ortswahl für die „Geldübergabe“. Mehrmals schien es, als ob die Lichter in der „Kinostadt“ für immer ausgehen würden. Doch nun besteht wieder Hoffnung dank der EU-Gelder.