© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/21 / 23. Juli 2021

US-Inflation steigt auf 5,4 Prozent / Widersprüchliche Erwartungen
Pepsi wird teurer
Thomas Kirchner

In den USA ist die Inflationsrate im Juni auf 5,4 Prozent gestiegen – das ist fast dreimal so hoch wie in der Eurozone (1,9 Prozent). Ist das nur ein vorübergehendes Phänomen oder der Anfang einer Inflationsspirale? Für beides sprechen starke Indizien. Preistreiber waren neben Energie und Lebensmitteln, die immer stark schwanken, Gebrauchtwagen, Flugtickets und Hoteltarife, wo Nachlässe der Corona-Monate entfielen. 2020 deflationär, sind diese Sektoren jetzt inflationär. Mietwagenfirmen hatten ihre Flotte zu Ramschpreisen verscherbelt, sie haben nun nicht genug Autos. Ein Kollege mußte auf einer Dienstreise kürzlich einen Umzugslaster mieten, weil kein Pkw verfügbar war. Hertz & Co. kaufen erstmals Gebrauchtwagen, was deren Preise auf Rekordniveau hebt: Ich haben im Juni mein drei Jahre altes Auto für nur zehn Prozent unter dem Neupreis verkauft – üblich wäre ein Abschlag von 30 bis 50 Prozent.

Solche Effekte werden verschwinden, wenn sich die Lage nach Corona normalisiert. Die Holzpreise hatten sich 2020 versechsfacht, seit Mai aber wieder halbiert. Die merklichen Lohnsteigerungen könnten enden, wenn die großzügigen US-Arbeitslosenhilfen im September auslaufen. Doch während Akademiker und Zentralbanken der These des temporären Inflationsschubs anhängen, befürchten viele Unternehmer, daß die Preiserhöhungen dauerhaft blieben. Die Lebensmittelpreise steigen wegen schlechter Ernten in den USA und Australien.

Pepsi-Finanzchef Hugh Johnston sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, steigende Rohstoff- und Gehaltskosten seien bis ins nächste Jahr zu erwarten. Das Wort „Inflation“ tauchte in 87 Prozent aller Firmenpräsentationen der Quartalsergebnisse auf. Im Vorjahr waren es nur 33 Prozent gewesen. Der Chicagoer Lebens­mittelkonzern Conagra Brands (Bertolli, Hunt’s, Van Camp’s) erwähnte das Wort gleich 49mal. Nachdem zahlreiche Bundesstaaten gerade einen Mindestlohn von 15 Dollar (12,70 Euro) einführen, werden jetzt Forderungen einer Erhöhung auf 20 Dollar (16,93 Euro) laut. Im Oktober soll dafür gestreikt werden.
Auch die Wohnkosten sind stark gestiegen. Wegen der komplizierten Umrechnung in US-Verbraucherpreise (CPI) dürften sie sich längerfristig inflationär auswirken. Die US-Bürger erwarten bei Mieten, Öl, Lebensmitteln und Medikamenten Preissteigerungen von fünf bis zehn Prozent. Laut einer Umfrage der University of Michigan rechnen sie mit durchschnittlichen Preissteigerungen von 4,8 Prozent im nächsten Jahr. Google verzeichnete im Mai die meisten Suchanfragen nach „Inflation“ seit 2004. Damit könnte sich eine Inflationspsychologie verfestigen, die ein Eigenleben entwickeln kann. Pessimisten sehen sogar schon eine Stagflation (JF 26/21) wie in den siebziger Jahren: Inflation bei stagnierender Wirtschaft.

Pepsi hat Glück, denn laut Johnston sind Verbraucher bereit, höhere Preise für Cola zu zahlen. Andere Firmen werden Preiserhöhungen nicht so leicht durchsetzen können. Die Überflieger an der Börse – gehypte Technologiefirmen mit unklaren Geschäftsmodellen – dürften bei steigenden Inflationsraten die großen Verlierer sein. Ob der Dollar zu den Verlierern gehören wird, ist hingegen unklar: Schließlich betreiben die EZB und Japan ähnlich laxe Geldpolitiken, so daß sich der gegenseitige Abwertungsdruck insgesamt ungefähr die Waage hält.

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