© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/21 / 23. Juli 2021

Ein marktwirtschaftlicher Patriot
Im Unruhestand: Von Ostpreußen über Bonn und Dresden ins Kosovo / Joachim Starbattys Festschrift für Herbert B. Schmidt zum 90. Geburtstag
Jörg Fischer

Er sei ein deutscher Patriot und „ein eigenständiger Denker, ein harter Arbeiter, ein entschlußfreudiger Manager, ein gewiefter Geschäftsmann und ob seines Durchsetzungswillens ein keineswegs immer bequemer Partner“, schrieb der damalige Bundestagsvizepräsident Hans Klein 1991 anläßlich des 60. Geburtstages von Herbert Botho Schmidt. Er habe sich um das deutsche Gemeinwesen verdient gemacht, und als „Anhänger von Ludwig Erhards sozialer Marktwirtschaft hat er stets die ethische Einbindung und die soziale Zügelung der Marktkräfte zugunsten Schwacher und Hilfsbedürftiger als integralen Teil dieses wirtschaftlich erfolgreichsten und menschlich gerechtesten Systems vor Augen gehabt“, so der langjährige CSU-Abgeordnete und Bundesminister.

Der Jubilar war auch in den folgenden 30 Jahren nicht untätig. Nach dem Mauerfall war Schmidt von Bonn nach Dresden gegangen. Im Juli 1990, als sich der Freistaat Sachsen wiedergründete, wurde er zum Leiter des dortigen Wirtschaftsressorts berufen. 1992 fand er die nächste Herausforderung: Er beriet die Regierung des nun wieder unabhängigen Estlands beim Umbau zur Marktwirtschaft. Schmidt wurde der Privatisierungsberater des estnischen Ministerpräsidenten Mart Laar. In dessen Regierungszeit wurde der wertlose Rubel durch die stabile Estnische Krone ersetzt und diese zugleich an die D-Mark gekoppelt.

Die Baltenrepublik ist heute – auch dank der von Schmidt gelegten Grundlagen – die mit Abstand wohlhabendste Ex-Sowjetrepublik. Mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von umgerechnet 26.470 Dollar liegt das 1,3-Millionen-Einwohner-Land laut IWF zwar hinter Taiwan (32.123) oder Spanien (30.996), aber vor Tschechien (25.732) oder dem rohstoffreichen Nachbarn Rußland (11.654). Im Oktober 1996 erhielt Schmidt für seine Leistungen von Staatspräsident Lennart Meri den estnischen Orden des weißen Sterns.

Doch auch mit 67 Jahren begab sich der im ostpreußischen Nordenburg geborene promovierte Ökonom und passionierte Zigarrenraucher nicht in den Ruhestand: 1997 bat ihn der deutsche Diplomat Nikolaus Graf Lambsdorff, Sohn des früheren FDP-Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff, nach Brčko im Nordosten des kriegszerstörten Bosnien und Herzegowina. Wieder ging es um die Beratung bei der Privatisierung, diesmal der jugoslawisch-sozialistischen Wirtschaft. 2004 ging Schmidt auf Bitten Lambsdorffs von seinem malerischen Altersruhesitz im oberbayrischen Marquartstein in die gefährliche Kosovo-Hauptstadt Priština. Als 73jähriger beriet Schmidt die UN-Interimsverwaltungsmission im Kosovo (Unmik). Und er deckte dort ähnliche Mißstände wie in Brčko auf: Der Privatisierungsprozeß durch die Kosovo Trust Agency „zementierte die herrschenden, kaum an marktwirtschaftlichen Kriterien ausgerichteten monopolistischen Strukturen, die zu Geldwäsche geradezu einluden“.

Doch im Gegensatz zu seiner 2011 verstorbenen Ehefrau Ruth Schmidt-Niemack, die von 1989 bis 1994 Bürgermeisterin von Bonn war, hält die deutsche Wikipedia – im Gegensatz zum englischsprachigen Pendant – die Lebensleistung von Herbert Schmidt nicht für so wichtig, daß er ihr einen Eintrag wert ist. Daher ist es verdienstvoll, daß der Ökonom Joachim Starbatty nun Schmidts „Leben für die Marktwirtschaft“ in einer Festschrift würdigt. Darin kommen nicht nur zwei Dutzend deutsche Autoren und Weggefährten wie Wolfgang Ockenfels oder Roland Tichy zu Wort, sondern auch internationale Vertraute wie der US-Diplomat Thomas Greene.

Die Bonner Ludwig-Erhard-Stiftung, deren Ehrenmitglied Schmidt seit 2017 ist, nahm seinen 90. Geburtstag zum Anlaß, den „Dr.-Herbert-B.-Schmidt-Wettbewerb für Wissenschaftliche Arbeiten zur Sozialen Marktwirtschaft“ aus der Taufe zu heben. Ausgezeichnet werden damit „Bachelor- und Masterarbeiten, die sich mit aktuellen Fragen unter Bezugnahme auf die Ordnungspolitik im Sinne Ludwig Erhards“ befassen. Erster Bewerbungsschluß ist der 30. September 2021. Die eingereichten Texte müssen aber praxisrelevant sein: „Abstrakte Modellbetrachtungen sollten nicht im Mittelpunkt stehen.“ Das paßt zu Herbert B. Schmidt: Der überzeugte Marktwirtschaftler war nie ein Bewohner des Elfenbeinturms.




Dr.-Herbert-B.-Schmidt-Wettbewerb: www.ludwig-erhard.de


Joachim Starbatty (Hrsg.): Ein Leben für die Marktwirtschaft. Festschrift für Herbert B. Schmidt zum 90. Geburtstag. Lau Verlag, Reinbek 2021, gebunden, 284 Seiten, 22 Euro