© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/21 / 23. Juli 2021

CD-Kritik: Alexandre Tharaud
Glück im Spiel
Jens Knorr

Wie es sich für einen Klavierschüler gehört, hat das Vorspiel mit Bachs Präludium in C-Dur aus dem „Wohltemperierten Klavier“ zu beginnen. Aber Alexandre Tharaud, geboren 1968 in Paris, wäre immer nur Schüler seiner großen Lehrer geblieben, wenn er nicht auch dieses vermeintlich leichte, aber in Wahrheit schwierig zu verlebendigende Stück auf seine eigensinnige, impressionistische Weise sich angeeignet hätte.
„Le poète du piano“ gibt auf drei CDs – „Solo“, „Concerto“, „Raritäten und Überraschungen“ – Bericht von Tharauds Arbeit im Tonstudio, angefangen mit der Privataufnahme zweier Stücke von Maurice Ravel aus dem Jahre 1992, über die Rameau- und Couperin-Alben, die ihn bekannt gemacht haben, überhaupt die Aufnahmen mit französischem Repertoire, bis hin zu bisher unveröffentlicht gebliebenen (Erik Saties „Gymnopédie No. 1“), die in die Konzeptalben nicht hineinpassen wollten oder einfach so entstanden sind. Zu hören sind der Entwicklungsroman eines Poeten am Klavier über drei Jahrzehnte und ein Kompendium der Klaviermusik über drei Jahrhunderte – nicht Chronologie, sondern Dialog, Widerspruch, Verständigung, Selbstverständigung. Zu hören sind der Bearbeiter und Transkribent, der Komponist auch, der klassische und Unterhaltungsmusiker, einmal nur der Chanson-Begleiter und der Kammermusiker gar nicht.
Ein Deutscher hat geschrieben, daß der Mensch nur spiele, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch sei, und nur da ganz Mensch sei, wo er spiele. So einer muß dieser Franzose sein.


Alexandre Tharaud Le poète du piano Erato 2020
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