© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/21 / 23. Juli 2021

Selbstbehauptung in der Mongolei
Kinodrama: „Die Adern der Welt“ von Byambasuren Davaa
Claus-M. Wolfschlag

Die Regisseurin Byambasuren Davaa ermöglicht mit ihrem Spielfilmdebüt „Die Adern der Welt“ einen Blick in die Gegenwart eines im Westen selten beachteten Landes. Die Geschichte des zwölfjährigen Amra präsentiert anschaulich die Alltagswelt und gesellschaftlichen Probleme der Landbevölkerung in der Mongolei.
Amra (Bat-Ireedui Batmunkh) führt mit seinen Eltern und der kleinen Schwester Altaa ein Leben, das noch stark vom traditionellen Nomadentum geprägt ist. Die Familie lebt in einer Jurte, Mutter Zaya kümmert sich um die Ziegenherde, während Vater Erdene neben seinem Job als Mechaniker noch den Verkauf des Ziegenkäses auf dem lokalen Markt organisiert.
Bergbauunternehmen bedrohen den Lebensstil
Längst jedoch hat die globale Zivilisation auch diesen entlegenen Winkel der Erde erreicht. Der Schüler Amra träumt davon, als Sänger bei der Fernsehshow „Mongolia’s Got Talent“ Karriere zu machen. Die in der Hauptstadt Ulan Bator gedrehte Unterhaltungsshow ist in Optik und Machart fast ein Abziehbild auch in Deutschland üblicher Formate à la „Das Supertalent“ oder „Deutschland sucht den Superstar“. Die gleiche Struktur der Show wie überall zeigt auf erschreckende Weise die schrittweise Nivellierung der Weltkulturen.
Die Gemeinschaft der Ansässigen plagen indes noch andere Probleme. International operierende Bergbauunternehmen drängen die Viehzüchter zum Verkauf ihres Landes und zur Aufgabe ihres friedlichen Lebensstils. Zwar wird den Konzern-Versprechungen, das Land ökologisch weitgehend zu schonen und nach der Ausbeutung zu renaturieren, wenig Vertrauen entgegengebracht, aber die Angst grassiert, bei Zögern am Ende entschädigungslos enteignet zu werden, wenn die Bagger anrollen.
In dieser Situation passiert ein Unglück. Vater Erdene stirbt bei einem Autounfall. Fortan muß Mutter Zaya die Kinder allein durch den Verkauf des Ziegenkäses ernähren. Doch das Käuferinteresse ist gering. So beschließt Amra den unrentablen Käseverkauf einzustellen und heimlich bei einer illegal betriebenen Goldmine als Bergarbeiter anzuheuern. Daß er am Ende das Volkslied „Wenn die letzte Ader Gold aus der Erde gezogen ist, zerfällt die Welt zu Staub“ singt, steht dabei programmatisch für die kritische Selbstfindung des Jungen und eines ganzen Landes.


 www.die-adern-der-welt.de