© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/21 / 23. Juli 2021

Druck aus Moskau und Berlin
„RT auf Deutsch“: Deutschland, Rußland und Luxemburg streiten um eine EU-Sendelizenz
Ronald Berthold

Ist das deutschsprachige Programm des russischen RT bald über jeden Fernseher in Deutschland frei empfangbar? Über eine europäische Sendelizenz für den bisher kein Vollprogramm und nur über das Internet ausstrahlenden Staatssender ist hinter den Kulissen ein Streit zwischen Luxemburg und Deutschland sowie Rußland ausgebrochen.

Denn aufgrund der Aussichtslosigkeit, von einer der 14 deutschen Landesmedienanstalten eine Genehmigung zu erhalten, hat RT diese nun in Luxemburg beantragt. Hintergrund: Mit der Lizenz eines Staates kann überall in der EU gesendet werden.

Rußland wirft der Bundesregierung vor, Luxemburg unter Druck zu setzen, das Ansinnen von RT abzulehnen. Die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, beklagt, die deutschen Behörden versuchten zu verhindern, daß RT eine Sendelizenz in der EU erhalte. Sie spricht von einer „massiven Kampagne“.

Der Antrag ging am 15. Juni bei dem westlichen Nachbarn ein. Das Land ist ein traditioneller Medienstandort. Der dort im kleinen Betzdorf beheimatete Satellitenbetreiber SES verbreitet RT-Programme anderer Sprachen bereits in alle Welt.

In Luxemburg entscheidet nicht wie in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern eine Medienaufsicht darüber, wer senden darf, sondern die Regierung. RT bemüht sich um eine Nutzung des luxemburgischen Satelliten Astra. Wer sein Programm über den Satelliten ausstrahlt, hat auch das Recht, ins deutsche Kabelnetz eingespeist zu werden. Premierminister Xavier Bettel von den Liberalen hat sich inhaltlich bisher nicht geäußert. Der Antrag werde geprüft, heißt es.

Politische Interessen treffen auf Meinungsfreiheit

Die Bundesregierung beharrt gegenüber Luxemburg darauf, daß Deutschland zuständig sei. Denn von hier aus arbeiten die Redaktionen von RT DE, das früher RT Deutsch hieß. Laut dem zuständigen luxemburgischen Ministerium haben bereits Gespräche mit deutschen Regierungsvertretern dazu stattgefunden. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, daran hätten auch Vertreter der Geheimdienste beider Länder teilgenommen. Dies, so das russische Außenministerium, erwecke den Eindruck, gegen RT laufe „ein echter Informationskrieg“.

Unterstützung erhält die CDU-geführte Bundesregierung bei ihrem Kampf gegen RT von den oppositionellen Christdemokraten Luxemburgs. Für sie ist der Sender ein „Propagandamedium“, das Verschwörungstheorien verbreite. Auch die deutsche FDP macht Front gegen eine Sendezulassung der Russen. Von „Putin-Propaganda und gezielter Desinformation unter dem Deckmantel eines alternativen Journalismus“ spricht der medienpolitische Sprecher Thomas Hacker.

Bereits im September vergangenen Jahres hatte die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage Hackers geantwortet, RT gehöre zu einem Netzwerk, „das im Auftrag staatlicher russischer Stellen deren Narrative mit dem Ziel verbreitet, u. a. den politischen Willensbildungsprozeß in Deutschland“ zu beeinflussen. Der Sender wird vom Verfassungsschutz beobachtet.

In gewissem Maße erhält RT Unterstützung von der Vereinigung der europäischen Medienregulierer (ERGA). Deren Vorsitzender, der Deutsche Tobias Schmid, sagt laut FAZ, die Kritik an potentieller Propaganda sei zwar staatsbürgerlich nachvollziehbar. Juristisch habe das jedoch nur eine eingeschränkte Relevanz. Auch die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut.

Der russische Staatssender hat seinen Antrag in Luxemburg unter dem vorläufigen Namen „RT auf Deutsch“ eingereicht. Damit versucht er zu unterstreichen, für alle deutschsprachigen Länder senden zu wollen. Dazu gehört auch Luxemburg. Das Argument, die Bundesrepublik wäre zuständig, entfiele damit. Das Merkel-Kabinett argumentiert mit dem Staatsferne-Gebot, das es verbiete, einem Staatssender den Betrieb zu gestatten.

Das russische Außenministerium wirft Berlin dagegen vor, „die Pressefreiheit in Deutschland weiter einschränken“ zu wollen. Die Sprecherin fragte an die Adresse der Bundesregierung: „Ist es nicht an der Zeit, im Bereich der Meinungsfreiheit zu den hohen Idealen zurückzukehren, von denen Berlin selbst ständig der Welt erzählt?“