© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/21 / 23. Juli 2021

„Zensurfreie Videoplattform“
Neuer Kanal für Verbannte: Gegenstimme.tv möchte sich als Alternative zu Youtube etablieren
Gil Barkei

Was haben Martin Sellner, KenFM, die Querdenker-Gruppe Stuttgart 711 und der islamkritische Clipproduzent „Shlomo Finkelstein“ gemein? Sie alle wurden von Youtube verbannt. Und ihre Videos sind wieder bei Gegenstimme.tv online zu finden. Die selbsternannte „zensurfreie Videoplattform“ bietet beim US-Marktführer gelöschten unliebsamen Stimmen ein neues digitales Dach über dem Kopf.
„Bei uns ist jeder willkommen, niemand darf wegen seiner Ansichten diskriminiert werden“, heißt es auf der Netzseite. Nutzer können dort pro Tag bis zu zwei Gigabyte Filmmaterial hochladen. „Auf Anfrage gibt es mehr Speicher, Streaming und direkte Freischaltung“, versprechen die anonymen Betreiber, die sich selbst als „Aktivisten“ bezeichnen und ihre Firma „Plan B Solutions“ auf den Seychellen angesiedelt haben – „Wir werden alles tun, um online zu bleiben.“
Die Motivation für den Aufbau des mit Spenden und Werbung finanzierten Portals war laut eigenen Angaben die „Zensur von Inhalten und Manipulation der Zuschauerzahlen seitens großer Konzerne, die Einfluß auf das öffentliche Meinungsbild ausüben wollen“. Gegenstimme TV soll als Alternative dienen und Interessierten die Möglichkeit bieten, mitzuwirken. Hochgeladene Videos benötigen eine manuelle Bestätigung durch eingesetzte Moderatoren. Meinungsverschiedenheiten, Probleme und Fragen werden per Mail untereinander geregelt und Entscheidungen gegebenenfalls erneut geprüft. Die Regeln sind dabei eindeutig: kein Verletzen von geistigen Eigentumsrechten, keine privaten Informationen über Personen sowie keine Verherrlichung von Gewalt und Extremismus. Hört sich zunächst stark nach den zweckentfremdenden Gemeinschaftsstandards von Youtube & Co. an, doch die Verantwortlichen verweisen darauf, vor schwerwiegenden Eingriffen zuerst die formale staatliche Rechtsprechung abzuwarten.
Das technische Konzept der Seite basiert auf der offenen Software Peertube, um die Videos und Streams über dezentral gesteuerte unabhängige Server anbieten zu können. Die IP-Adressen der Nutzer sind nicht öffentlich einsehbar. Bisher ist die Zahl der Nutzer mit gut 1.400 sehr gering, doch die Anzahl der Videos (3.800) und der Aufrufe (260.000) steigt stetig.