© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/21 / 06. August 2021

Rennen der Kanzlerkandidaten
Historischer Tiefpunkt
Moritz Schwarz

Kaum zu fassen ist der Unterbietungswettbewerb, den sich die drei Kanzlerkandidaten derzeit leisten. Im ersten Akt dieses Trauerspiels war keiner der Favoriten, Laschet und Baerbock, in der Lage, von fallenden Umfragewerten des jeweils anderen zu profitieren. Im zweiten Akt übernahm der längst abgeschriebene Olaf Scholz überraschend die Spitze. Doch nicht infolge eines Sturmlaufs, sondern weil es das Spitzenduo fertigbrachte, hinter den fußlahmen Nachzügler zurückzufallen. Nun im dritten Akt – im Theater stets der dramatische Höhepunkt – kommen laut neuester Umfrage des Insa-Instituts – Scholz 22, Laschet und Baerbock 13 Prozent – alle drei zusammen nicht einmal mehr auf die Hälfte der Stimmen.

Natürlich kann sich bis zur Wahl in sieben Wochen noch viel tun, und gewählt werden auch nicht die Kandidaten, sondern Parteien. Dennoch offenbart der Zustand erneut die schleichende Erosion der politischen Stabilität: Immer weniger Bürger trauen den Vertretern der Etablierten noch etwas zu, während diese es gar nicht mehr für nötig halten, ersteren noch überzeugende Kandidaten anzubieten. Solche Selbstgefälligkeit war stets typisches Merkmal historischen Niedergangs.

Doch der kann sich noch lange hinziehen. Denn zum einen zeigen sich trotz dieser für sie luxuriösen Lage AfD und Linke, vor sich hindümpelnd, völlig unfähig, davon zu profitieren. Zum anderen galt auch Merkel anfangs als unbeliebte Zwischenlösung. Wie sie könnte der mutmaßliche Wahl„sieger“ Laschet, einmal im Amt, einen ungeahnten Amtsbonus entwickeln.