© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/21 / 06. August 2021

Die „globale Sicherheit“ steht auf dem Spiel
Afghanistan: Im Kampf gegen die Taliban zieht Präsident Ashraf Ghani alle Register / Die USA unterstützen ihn mit heftigen Luftangriffen
Curd-Torsten Weick

Noch am vergangenen Donnerstag verkündete der afghanische Präsident Mohammad Ashraf Ghani anläßlich des Nationalfeiertages, daß sich die Sicherheitslage des Landes in den nächsten sechs Monaten im Einklang mit einem neuen Sicherheitsplan verbessern werde. Doch am Montag revidierte er seine Einstellung und forderte nach Angaben der afghanischen Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News seine Anhänger zur „nationalen Mobilisierung“ gegen die Taliban auf. 

Zuvor hatten die Gotteskrieger mehrere Bezirke in Lashkar Gah, der Hauptstadt der südafghanischen Provinz Helmand, eingenommen. Um den Vormarsch der Taliban-Kämpfer auf mehrere wichtige Provinzhauptstädte zurückzuschlagen, hatten die USA ihre Luftangriffe auf Taliban-Stellungen in der Umgebung der Städte Herat, Kandahar und Lashkar Gah verstärkt, zitierte CNN einen hohen afghanischen Sicherheitsbeamten. 

Helmand war das Herzstück der US-amerikanischen und britischen Militärkampagne, und ein Sieg der Taliban dort wäre ein herber Schlag für die afghanische Regierung, urteilt die BBC. Sollte Lashkar Gah fallen, wäre dies die erste Provinzhauptstadt, die die Taliban seit 2016 erobern könnten.  Ein afghanischer Militärkommandeur in der Stadt, so die BBC weiter, habe davor gewarnt, daß ein Sieg der Taliban „verheerende Auswirkungen auf die globale Sicherheit“ haben würde.

Die Taliban verurteilten in ihren sozialen Medien die Angriffe scharf und bezeichneten sie als „barbarisch“. „Wenn wir bekämpft werden, wenn wir schikaniert werden, haben wir keine andere Wahl, als uns und unsere Gebiete zu verteidigen. Dies ist ein Dschihad, ein heiliger Dschihad gegen die Besatzung, gegen die Unterstützer der Besatzung, gegen Aufruhr“, erklärte Taliban-Sprecher Zabihullah Mudschahid im Gespräch mit dem afgahnischen Nachrichtensender TOLOnews.   

Ankara warnt vor „erneutem Zustrom“ afghanischer Flüchtlinge

Anfang Juli hatte eine vierköpfige Taliban-Delegation unter der Leitung von Maulvi Shahabuddin Delawar nach Angaben des afghanischen Online-Nachrichtendiensts Khaama Press News Agency während eines Rußlandaufenthaltes behauptet, sie kontrollierten bereits 85 Prozent des Staatsgebiets.Tariq Arian, Sprecher des Innenministeriums, wies daraufhin die Behauptungen der Taliban als unwahr zurück und fragte, wenn die Taliban so viel Kontrolle hätten, warum lebten ihre Anführer und Familien dann im Ausland?

Pakistan steht im Mittelpunk afghanischer Kritik. Auch Pentagon-Pressesprecher John Kirby sieht die dortigen „sicheren Zufluchtsorte“ für die Taliban in Pakistan als „historisches Problem“. Die Taliban nutzten diese, „um sich zu erholen, um sich neu auszubilden, um sichpersonell zu verstärken und um zu planen“. Vor diesem Hintergrund stünde Washington in „ständigem Kontakt“ mit Pakistan.

Während Pakistans Premier Imran Khan jedwede Unterstützung der Taliban durch sein Land  zurückweist, warnte der Vorsitzende der türkisch-nationalistischen MHP, Devlet Bahçeli, der die AKP-Regierung unterstützt, vor einem erneuten Zustrom afghanischer Flüchtlinge. „Man schätzt, daß sich etwa 500.000 afghanische Flüchtlinge in unserem Land befinden. Es ist klar, daß ein Zustrom von Flüchtlingen [aus Afghanistan] unsere Grenzen in der kommenden riskanten und gefährlichen Zeit erreichen wird. Wir müssen auf der Hut sein“, betonte der 73jährige in einem Interview mit der Zeitung Türkgün.