© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/21 / 06. August 2021

EU-Kommission will angeblich Geldwäsche stärker bekämpfen
Neuer Angriff aufs Bargeld
Thorsten Polleit

Der Feldzug gegen das Bargeld geht in die nächste Runde. Die EU-Kommission fordert nun eine einheitliche Bargeld­obergrenze in Höhe von 10.000 Euro. Beträge darüber würden zur Terrorfinanzierung, Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Geldwäsche eingesetzt, heißt es zur Begründung. Allerdings gibt es keine überzeugenden wissenschaftlichen Belege für diese Behauptung.

Dennoch gibt es in den meisten EU-Ländern bereits Höchstgrenzen: In Griechenland liegt sie bei 500 Euro, in Kroatien bei 15.000 Euro. In Deutschland, Österreich, Luxemburg und Zypern gibt es allerdings noch keine. Um die unbeliebte Bargeldobergrenze auch dort schmackhaft zu machen, will Brüssel den Kauf und Verkauf von Gebrauchtwagen oder Wohnungskautionen von der Bargeldobergrenze freistellen.

Doch das kann nicht beruhigen, denn letztlich verbirgt sich hinter dem neuen EU-Vorstoß nichts anderes als ein weiterer Schritt, um das Bargeld letztlich ganz abzuschaffen. Der 500-Euro-Schein wird seit 2019 nicht mehr in Umlauf gebracht – in der Schweiz wurde hingegen die 1.000-Franken-Note (umgerechnet 929 Euro) im selben Jahr erneuert. Selbst das Coronavirus wurde wegen angeblicher Infektionsrisiken aufgeboten, um vor der Bargeldverwendung abzuschrecken.

Die vielzitierten bösen Geschäfte, die angeblich mit Bargeld abgewickelt werden, dienen aber nur als manipulativer Vorwand, um gegen das Bargeld Front machen zu können. Denn das Bargeld steht den Machtphantasien der Politiker im Wege: Es sichert Bürgern und Unternehmern einen gewissen Grad an finanzieller Privatsphäre, die sie vor der Willkür und Habgier des Staates schützt. Jeder dritte Fünfhunderter wird laut EZB zu Hause aufbewahrt.

Bargeld ist ein Schutz vor dem totalen Überwachungsstaat: Wären erst einmal alle Zahlungen nur noch elektronisch durchführbar, wird der Bürger vollends gläsern. Wenn Bargeld als Zahlungsmittel umläuft, ist es den Bürgern möglich, ihre Guthaben aus dem Bankensektor abzuziehen und sich so gegen eine Pleite der Kreditinstitute abzusichern: Bargeld ist eine Versicherung gegen Zahlungsausfallrisiken.

Bargeld funktioniert auch in Notsituationen – etwa bei Naturkatastrophen und bei Stromausfall, in denen der Zugang zu elektronischen Zahlungen gestört ist. Und nicht zuletzt erlaubt es das Bargeld, der Enteignung durch einen Negativzins, den die Zentralbank zur Schuldenabwertung erhebt, zu entkommen: Der Bürger kann sich seine Guthaben bar auszahlen lassen, und der Strafzins läuft ins Leere.

Die EU-Kommission hat also mit ihrem Vorschlag nicht das Wohl der Marktakteure im Sinne: Sie ist von Motiven beseelt, die dem Staat immer weiter gespannte Macht über Bürger und Unternehmer geben sollen. Sie träumt bereits von einer neuen Behörde, die die Einhaltung der Bargeldobergrenze überwacht. Das bedeutet nicht nur Kontrolle und erhöhten Bürokratieaufwand für Bürger und Unternehmer, sondern auch Bespitzelung und Bestrafung. Die Bürger sollten wissen: Das Zurückdrängen, das Abschaffen des Bargeldes öffnet die Tür zur Hölle. Es befördert das Entstehen eines allmächtigen Überwachungsstaates – und das wird sich als viel schlimmer für das Wohl der Menschen erweisen, als es die angeblich dunklen Geschäfte mit Bargeld jemals sein könnten.






Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Volkswirtschaftler und Präsident des Mises-Instituts.