© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/21 / 06. August 2021

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Samstagabend, der Grauburgunder ist gut gekühlt, die Häppchen stehen bereit, mit Vorfreude und Spannung sehe ich einem genußvollen Kulturfernsehabend entgegen. 3sat überträgt eine Aufzeichnung der Eröffnungspremiere der diesjährigen Bayreuther Festspiele, Richard Wagners romantische Oper „Der fliegende Holländer“. Gleich zu Beginn der Ouvertüre, in der Wagner sämtliche Leitmotive der Oper (Flucht, Geisterruf, Erlösung, Liebestreue) musikalisch gebündelt und vorweggenommen hat, erscheint ein eingeblendeter Hinweis: „Der sonderbare, immer wiederkehrende Traum des H.“ Auf der Bühne busselt eine Frau mit Daland und wird dabei von ihrem Sohn überrascht. Als der Seeman sie kurz darauf fallenläßt und die Frau, offenbar ein leichtes Mädchen, von der Dorfgemeinschaft geächtet wird, nimmt sie sich das Leben, der Junge findet sie erhängt. In der weiteren Handlung erweist sich, daß der Sohn alias der fliegende Holländer sich nun nach Jahren an Daland für den Tod der Mutter rächen will. Am Ende erschießt er auf dem Marktplatz willkürlich zwei Menschen, bevor er selbst von Sentas Amme Mary, die hier auch Dalands Frau ist, mit einer Schrotflinte hinterrücks erschossen wird. Beiläufig zu Senta: Das veträumte Mädchen ist hier eine wilde Hummel mit bunten Haarsträhnen und Kapuzenhoodie, eine „renitente Göre“ (FAZ), überzeugend dargestellt von der 40jährigen litauischen Bayreuth-Debütantin Asmik Grigorian. Soweit die Holländer-Geschichte in der Inszenierung des russischen Regisseurs Dmitri Tcherniakov. Schiffe, Segel, Meer,  Gespenster-Matrosen? Fehlanzeige. Was das alles mit Wagner und der Legende vom in ewiger Verdammnis unerlöst auf den Weltmeeren kreuzenden Holländer zu tun hat? Nun, ganz sicher nichts.

Was die Neuinszenierung des „Fliegenden Holländers“ in Bayreuth mit Wagner zu tun hat? Ganz sicher nichts.

Apropos Fernsehen: Noch bis zum 22. August zeigt der deutsch-französische Kultursender Arte in seinem Programmschwerpunkt „Summer of Voices“, jeweils freitags und sonntags, Musikfilme, Dokumentationen sowie Konzerte in Hülle und Fülle – je nach musikalischer Vorliebe wirklich sehenswert. Die Bandbreite reicht von Frank Sinatra bis Ozzy Osbourne und von Amy Winehouse bis Rammstein. Das Spielfilmangebot umfaßt „Soeur Sourire – Die singende Nonne“, die 1963 mit ihrem Lied „Dominique“ sogar die Beatles in den Billboard-Charts von Platz eins verdrängte, außerdem das Biopic „Florence Foster Jenkins“ mit Meryl Streep in der Hauptrolle als Diva der falschen Töne und Joseph Vilsmaiers „Comedian Harmonists“ unter anderem mit Ben Becker, Ulrich Noethen, Heino Ferch und Kai Wiesinger. In den nächsten Tagen noch auf dem Programm: The Eagles (8. August, 22.10 Uhr), Dokus über Tina Turner und Barbra Streisand sowie ein Konzert der Bee Gees (allesamt am 13. August ab 21.45 Uhr), die Blues Brothers und Elvis (15. August ab 20.15 Uhr), ein Abend mit dem unvergessenen Freddie Mercury und Queen (20. August ab 21. 45 Uhr). Den Abschluß bildet der Spielfilm „La vie en rose“ und eine Dokumentation über das Leben der französischen Chanson-Sängerin Édith Piaf. Viele der Angebote sind übrigens bis in den Herbst hinein in der Arte-Mediathek online (www.arte.tv/de) verfügbar.