© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/21 / 06. August 2021

Uniform unter Generalverdacht
Zwei Werke über tatsächliche und vermeintliche rechte Unterwanderung bei Polizei und Militär
Michael Dienstbier

Thank you for your service!“ Es ist diese Respektsbekundung, die in den USA ehemaligen und aktiven Soldaten regelmäßig von Bürgern im Supermarkt, im Bus oder auf der Straße entgegengebracht wird. Respekt dafür, daß sie ihr Leben für die Sicherheit aller einzusetzen bereit sind oder waren. In Deutschland hingegen können Angehörige der Sicherheitskräfte mittlerweile von Glück reden, wenn sie nicht verbal oder körperlich attackiert werden. 76 Jahre Frieden haben dazu geführt, Sicherheit für etwas Selbstverständliches zu halten und im Polizisten oder Soldaten nur noch jemanden zu sehen, der dem einzelnen bei der ungehinderten Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit im Wege steht.

Diese Dekadenz umfaßt alle Ebenen unseres Gemeinwesens. Dem am 1. Mai dieses Jahr wieder in ganz Deutschland randalierenden linken Mob entspricht eine Kanzlerin, die aus ihrer Verachtung für die Sicherheitsdienste keinen Hehl mehr macht, seitdem diese sie eindringlich vor der unkontrollierten Masseneinwanderung 2015 gewarnt haben. Auch in der Publizistik herrscht ein Generalverdacht gegen Polizei und Armee vor, wie zwei Neuerscheinungen wieder belegen. Ähnlich in ihrer ideologischen Ausrichtung, unterscheiden sich die Darstellungen von Aiko Kempen und Dirk Laabs qualitativ jedoch erheblich.

Aiko Kempen hat es vom Musiker und Literaturwissenschaftler zum „Polizei- und Rechtsextremismusexperten“ geschafft. Er arbeitet unter anderem für das ARD-Magazin „Monitor“, und sein Buch „Auf dem rechten Weg? Rassisten und Neonazis in der deutschen Polizei“ liest sich denn auch wie ein auf 240 Seiten ausgedehnter Beitrag dieser Sendung. Seine These: Die deutsche Polizei als Ganzes ist strukturell rassistisch, was sich in regelmäßigen Übergriffen auf Minderheiten aller Art manifestiert. Kempens Vorgehensweise ist manipulativ, perfide, teils unfreiwillig komisch. Im Buch wimmelt es von Konjunktiven bezüglich angeblicher Übergriffe auf Ausländer, für die es schlicht keine Belege gibt. Für den Leser aber soll aus den vielen Konjunktiven am Ende ein einziger Indikativ werden. 

Urteile gegen die Polizisten, die eher Verleumdungen gleichen

Der linke Politaktivist Kempen läßt eine begriffliche Willkür walten, die naiv oder berechnend sein kann. Er verwendet „rechts“, „rechtsradikal“, „rechtsextrem“, „rechtspopulistisch“ und „rassistisch“ weitestgehend synonym und gelangt dabei zu Urteilen, die eher Verleumdungen gleichen. So zitiert er einen Experten, der zu Protokoll gibt, daß „zwischen fünf und zwanzig Prozent der Beamten ein gefestigtes rechtes Weltbild haben“, um im nächsten Satz daraus zu schließen, daß es in Deutschland zwischen 15.000 und 60.000 Polizisten „mit menschenverachtenden Einstellungen“ gebe. Rechts mit menschenverachtend gleichzusetzen ist selbst für einen Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Staatsmedien beachtlich. Auf diesem Niveau geht es munter weiter. So sei der Polizeigewerkschafter Rainer Wendt ein „rechter Hardliner“, weil er schon einmal der JUNGEN FREIHEIT ein Interview gegeben hat. Im Nachwort dankt Kempen ausdrücklich seinem Mentor Georg Restle, dem Chef von „Monitor“ und Vertreter eines „werte-

orientierten Haltungsjournalismus“, der subjektiv, aktivistisch, erziehend, gegen rechts und die Welt tribalistisch in Gut und Böse einteilend zu sein habe. Diese Attribute beschreiben Kempens als Buch getarnten Feldzug gegen die deutsche Polizei punktgenau.

Auf einem ganz anderen Niveau bewegt sich Dirk Laabs’ Darstellung „Staatsfeinde in Uniform. Wie militante Rechte unsere Institutionen unterwandern“, das sich der Bundeswehr im allgemeinen, dem KSK und dem Netzwerk „Nordkreuz“ im besonderen widmet. Laabs ist ein Terrorismusexperte, der diese mittlerweile inflationär verliehene Auszeichnung auch verdient. So recherchierte er bereits 2002 im Auftrag der Los Angeles Times in Afghanistan auf den Spuren der Planer der Angriffe vom 11. September 2001. Im vorliegenden Buch läßt er auch die Betroffenen zu Wort kommen, unter anderem den ehemaligen KSKler Marco G., den Logistiker von „Nordkreuz“, einer Gruppe, der konkrete Putschpläne vorgeworfen werden. Im Gegensatz zu Kempen beherzigt er somit einen ehernen Grundsatz des Journalismus: Rede mit den Menschen, nicht nur über sie. Den mehr als 400 Seiten merkt man die intensive Recherchearbeit an. Laabs gelingt es, die vielschichtigen Verbindungen zwischen den Vorgängen rund um die Auflösung der zweiten Kompanie des KSK, „Nordkreuz“, dem „Hannibal“-Netzwerk, dem Verein Uniter und Einzelpersonen wie Marko G., André S. und Franco A. verständlich zu erläutern. Vor allem die filmreif anmutende Karriere von Franco A., dem Offizier, dem es gelang, als syrischer Asylbewerber registriert zu werden, wird detailliert nachvollzogen. Laabs zitiert aus internen Dokumenten, die er sich teils auf dem Klageweg erstritten hat. Dies führt dazu, daß das gut geschriebene Buch informativ und spannend zu lesen ist. Was stört, ist die Vielzahl an Doppelungen teilweise ganzer Absätze. Hier hat das Lektorat auffallend schlampig gearbeitet.

Dirk Laabs steht als typischer Vertreter einer postheroischen Gesellschaft dem Selbstverständnis, den Idealen und Ritualen des Soldatischen kritisch bis ablehnend gegenüber. Die Grenzen zwischen notwendiger Kritik an Verselbständigungen innerhalb des Militärs und Kritik alles Militärischen an sich sind bei ihm fließend. So verwundert nicht, daß Laabs gern gesehener Gast bei Tagungen und Podiumsdiskussionen der Grünen oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist. Unsachlich wird er, wenn er die deutsche Uniformneurose und die damit verbundene Begrifflichkeit auf andere Länder überträgt. So ist der israelische Premier Benjamin Netanjahu für ihn ein „Rechtspopulist“, der Konflikte bewußt anheize. Grotesker verzerrt läßt sich die Lage im Nahen Osten kaum darstellen. Ohne seinen bedingungslosen Willen zur Selbstbehauptung wäre der Staat Israel heute schon Geschichte. Dennoch bleibt Laabs’ Buch im Gegensatz zu Kempens Ausführungen in Summe zu empfehlen.

Aiko Kempen: Auf dem rechten Weg? Rassisten und Neonazis in der deutschen Polizei. Europa Verlag, München 2021, 240 Seiten, gebunden, 20 Euro

Dirk Laabs: Staatsfeinde in Uniform. Wie militante Rechte unsere Institutionen unterwandern. Econ Verlag, Berlin 2021, 448 Seiten, gebunden, 24 Euro