© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/21 / 06. August 2021

Kontra! Re! Bock!
Reizend: Das Skat-Regelwerk wird 135 Jahre alt, doch das Traditionskartenspiel kämpft um Nachwuchs
Tobias Dahlbrügge

Paß auf, 18 – Jau! – 20 – Aber immer! – 2 – Mein Blatt! – drei – geh’ du in’n Keller!“ Wo man so spricht, wird Skat gekloppt! Dieser Tage wird die „Allgemeine Deutsche Skatordnung“ 135 Jahre alt. Verabschiedet wurde sie beim zweitägigen „Ersten deutschen Skatkongreß“, der am 7. August 1886 mit rund tausend Spielern am Rande einer Industriemesse in Altenburg in Thüringen begann. Am selben Ort wurde das deutscheste aller Kartenspiele bereits ab 1810 entwickelt. Die erste urkundliche Erwähnung ist ein Notizbuch-Eintrag von Hans von Gabelentz über einen Gewinn beim „Scat“. Er erfand zusammen mit dem Gymnasiallehrer Johann Hempel, dem Medizinalrat Hans Carl Schuderoff, dem Notar Friedrich Ferdinand Hempel und dem Ratsherrn Carl Christian Neefe das neue Kartenspiel in Altenburg. Logisch, daß sich im einst herzoglichen Schloß der Stadt auch das Spielkartenmuseum befindet.

Skat entwickelte sich rasant zum festen Bestandteil männlicher Folklore. Ob auf der Stube beim Militär, in der Eckkneipe oder auf dem Campingplatz: wo sich drei Herren zusammenfanden, kam das Blatt auf den Tisch. So wie schon Heinz Erhardt in seiner Skatpolka sang: „Was wär’ das Leben ohne Skat? Es wäre öd’ und blöd und fad! … Wir dreschen Karten/ Daß es kracht/ bis in die Nacht!“ Erhardt wußte auch: Zum Blatt gehört untrennbar das Bier! „Herr Ober, noch ’ne Lage für den Skatverein, denn in trocknem Zustand kann kein Spiel gedeih’n.“ Und natürlich wurden nicht nur Karten, sondern auch Sprüche gedroschen: „Auf dem Tisch, da sterben die Asse!“, „Ne Sieben und ne Achte, war alles was er brachte …“ oder „Skat is wie Sex: Hast du einen schlechten Partner, brauchst du eine gute Hand.“ Skat ging sogar in den Schatz der Redensarten ein, zum Beispiel mit „einen Stich machen“ oder etwas „in der Hinterhand haben“.

Schüler gründen Zocker-AG

Landauf, landab wurde über Jahrzehnte Skat gespielt, während sich Gläser und Pinnchen leerten und dafür die Aschenbecher überquollen. Wer nur Mau-Mau spielen konnte und nicht zum Dritten Mann taugte, galt als halbe Portion. Unvergessen Harald Schmidts Skatrunde in seiner Show im Jahr 2002 – zur Kellnerin Nicki: „Niggi, mir bringsche e Schachtel Marlboro und noch e Pils!“

Seit 2016 zählt Skat zum Unesco-Kulturerbe. Der Deutsche Skatverband (DSKV) in Altenburg – während der deutschen Teilung provisorisch ins ostwestfälische Bielefeld verlegt – ist heute Sitz des Internationalen Skat-Gerichts. Das Gremium klärt Streitfälle und fällt Urteile, auf die sich jeder Skatbruder berufen kann. Die Experten des Skatverbandes kommentieren auch live die Pokalfinale der „Skat Masters“ – für die Zuschauer spannend wie ein Fußball-WM-Spiel.

Doch seit mindestens 20 Jahren befindet sich Skat auf dem Rückzug. Vor allem Doppelkopf läuft ihm den Rang ab. Skat und Doppelkopf sind verschiedene Welten, eine Gewissensfrage wie „Kiss oder AC/DC“ oder „Schalke oder BVB“. Skat sind drei Männer – Doppelkopf sind zwei Ehepaare. Vielleicht überfordert das hochkomplexe Skat-Regelwerk auch eine bildungsferne Generation, bei der es nur noch für „Uno“ ausreicht.

Auf jeden Fall hat Skat ein Imageproblem. Es wirkt für viele so abgestanden wie das Bier der Herren Striebel und Vogel in Loriots Skat-Sketch („Und dann kam ich mit der Herz Neun und – zack!“ … „Kennen Sie Schnipp-Schnapp?“). Und sicher haben auch Eckkneipensterben und Rauchverbot dem Skatkult übel zugesetzt – von der Diffamierung alles bösen Deutschen ganz zu schweigen. Dem DSKV gehören derzeit 13 Landesverbände mit 1.648 Skatclubs und zusammen noch rund 25.000 Mitgliedern an. Doch die stöhnen unter Nachwuchsmangel.

Allerdings besteht Hoffnung: Neuerdings heißt es wieder öfter „Langer Weg – kurze Farbe!“ In Nienburg an der Weser initiierte die Grundschule die Skat-AG „Karo As“, aus der sich eine kleine Stadtmeisterschaft mit 50 Jungs und Mädchen entwickelte – bis Corona kam. Doch auch auf Youtube erklären Tutorials wie „How To Skat“ in über 120 Folgen, was es mit Böcken, Schneidern und Trümpfen auf sich hat. Und natürlich kann man auf dem Videoportal auch erfolgreichen Turnierspielern bei der Online-Runde nach Art von „Let’s Play“-Videos über die Schulter schauen.

Wer weiß, vielleicht wird Skat, ähnlich wie Plattdeutsch, als Retro-Trend und Vintage-Lifestyle wieder voll „cool“.

 www.residenzschloss-altenburg.de

 https://dskv.de/