© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/21 / 13. August 2021

Impfpaß-Proteste in Frankreich
Keine breite Mehrheit
Friedrich-Thorsten Müller

Auch wenn in Frankreich das vierte Wochenende in Folge Hunderttausende auf die Straße gehen, sollte man daraus keine falschen Schlüsse ziehen. Inzwischen sind über 65 Prozent der Franzosen erstgeimpft und eine Mehrheit steht hinter der Corona-Politik von Präsident Emmanuel Macron. Lediglich ein gutes Drittel der Franzosen unterstützt laut Umfragen die Anti-Gesundheitspaß-Demos. Die „Gelbwesten“ konnten zwischenzeitlich auf eine Mehrheit zählen.

Darum ist es nur konsequent, wenn die Kandidatin des rechten Rassemblement National, Marine Le Pen, mit Blick auf die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr eisern der Versuchung widersteht, sich diesen Demos anzuschließen. Sie weiß, daß sie die Stichwahl, bei der man ihr in Umfragen bereits deutlich über 40 Prozent zutraut, nur in der Mitte gewinnen kann.

Doch auch für Macron ist die Lage heikel. Frankreich ist nur dank einer immensen Neuverschuldung in Höhe von 15 Prozent des BIP durch die Lockdownpolitik des letzten Jahres gekommen. Breite Bevölkerungschichten fühlen sich abgehängt, und die ersehnte Normalisierung des Wirtschaftslebens durch die Corona-Impfungen ist mit dem „Gesundheitspaß“ in Frankreich dauerhaft vom Tisch. Viele Branchen fürchten durch die Impf- oder Testpflicht auch für 2022 massive Umsatzeinbußen, ohne daß die Regierung die großzügigen Corona-Hilfen wird beibehalten können. Macron steht ein schwieriges Wahljahr bevor, in dem er auch seine Parlamentsmehrheit verteidigen muß.